Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kreise und Städte sollen Pflegeangebote planen
Sozialminister Lucha will Kommunen mehr Rechte verleihen und gegenüber den Krankenkassen stärken
STUTTGART - Städte, Gemeinden und Landkreise sollen mehr Möglichkeiten bekommen, ihren Bürgern passende Pflegeangebote zu machen. Eine entsprechende Gesetzesänderung hat Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) am Dienstag in Stuttgart angekündigt. Weg vom Pflegeheim, hin zu besserer Unterstützung daheim – so lässt sich das Konzept zusammenfassen.
„Wir sehen künftig Schwerpunkte in wohnortnahen, unterstützenden Wohnformen sowie in der Kurzzeit-, Tages- und Nachtpflege“, sagte Lucha. Heime, Kliniken und ambulante Dienste sollen außerdem besser kooperieren. Bei den Plänen geht es vor allem darum, die Kommunen gegenüber den Pflegekassen zu stärken.
Um Bürger kostenlos und unabhängig zu beraten, können Städte und Kreise schon jetzt Pflegestützpunkte einrichten. Derzeit gibt es 59 solcher Anlaufstellen im Land, doch Lucha und die Kommunen halten das für zu wenig. Bisher entscheidet ein Verein darüber, wo diese eingerichtet werden. Darin sind Kommunen und Kassen vertreten, die sich in der Regel die Kosten für die Beratung teilen. Die Kassen können mit einem Veto neue Stützpunkte verhindern. Das soll sich ändern. Städtetag und die Pflegekasse AOK Baden-Württemberg loben Lucha: Der bundesweit einmalige Vorstoß beweise Weitsicht, so ein AOK-Sprecher.
An anderer Stelle kassiert Lucha Kritik. „Es ist guter Brauch, mit den Kommunen zu sprechen, bevor man solche Pläne präsentiert“, so Dietmar Herdes vom Landkreistag. Der Minister hatte seine Ideen nach Aussage der drei kommunalen Verbände nicht mit den Kreisen, Städten und Gemeinden abgestimmt.
Diese können künftig Pflegekonferenzen einberufen, in denen Pflegedienste, Heime, Kassen und andere vertreten sind. Die Empfehlungen der Runden müssen Kassen berücksichtigen, wenn sie Verträge mit Anbietern oder Kommunen schließen. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) vertritt einige der Pflegekassen. Er hält Luchas Vorstoß grundsätzlich für richtig. Es komme nun darauf an, dass künftig ein gutes, flächendeckendes Angebot entstehe – und die Menschen selbst die Wahl zwischen Angeboten hätten. Dazu gehört aus Sicht der Kassen, dass Patienten sich besser als bisher über die Qualität eines Pflegedienstes oder Heims informieren können. Seit Jahren fordern die Kostenträger, dass Anbieter Qualitätsmängel offenlegen. Schon heute werden Ergebnisse jährlicher Überprüfungen veröffentlicht, die Kassen halten dies für zu wenig. Der Verband privater Pflegeanbieter (BPA) sieht die Pläne mit Besorgnis. Er fürchtet, dass Kommunen städtische Einrichtungen bevorzugen. „Kommunalen Behörden künftig eine Steuerung der Pflegeangebote zuzugestehen, ist der falsche Schritt“, sagt BPA-Landeschef Stefan Kraft. Private Träger müssten an einem fairen Wettbewerb beteiligt werden. Sie wüssten selbst, welche Angebote Patienten benötigten.
Die FDP forderte Lucha auf, Heime von Bürokratie zu entlasten. Außerdem solle er die strikten Vorgaben für Pflegeheime lockern. Diese dürfen ab 2019 nur noch Einzelzimmer anbieten. Anbieter und Kassen fürchten einen Mangel an Pflegeplätzen, weil durch die nötigen Umbauten Betten wegfallen.