Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Im Andermannsberg entstehen elf Einfamilienhäuser
Ravensburger Rat beschließt eine Erweiterung des Wohngebiets – Bäume auf Streuobstwiese werden abgeholzt
RAVENSBURG - Es ist tatsächlich noch möglich, in Ravensburg innenstadtnah einen Bauplatz für ein Einfamilienhaus zu ergattern – wenn es sich im Wohngebiet Am Andermannsberg auch nur elf um Grundstücke handelt: Die Eigentümer einer 7660 Quadratmeter großen Fläche zwischen Sinova-Klinik, Nikolausstraße, dem Blumenweg am Friedhof und der Straße „Im Andermannsberg“wollen ihre Streuobstwiese einstampfen und als Bauland verkaufen. Der Gemeinderat hat dem Vorhaben zugestimmt und am Montagabend den Bebauungsplan „Erweiterung Wohngebiet Andermannsberg“beschlossen.
Für Zündstoff sorgte der Umstand, dass eine ehemalige GrünenStadträtin zu den Miteigentümern des Areals in dem Ravensburger Nobelviertel gehört. Wilfried Krauss („Bürger für Ravensburg“) unterstellte der Grünen-Fraktion deshalb, mit ihrem Ja zur Bebauungsplan-Erweiterung verliere sie ihre „ökologische Unschuld“. Außerdem sei das Ganze „einer ökologischen Modellstadt“wie Ravensburg nicht würdig, da naturnahe Fläche vernichtet würde. Die Grünen hingegen argumentierten, dass man, sofern sich die neuen Häuser in die umliegende Bebauung einfügen, an besagter Stelle ohnehin bauen dürfe, weil sie innerhalb eines bebauten Quartiers liegt. Trotz der „bitteren Pille“, dass die Streuobstwiese dran glauben muss, wertete Maria Weithmann es als positiv, dass nachverdichtet wird.
So sieht man es auch bei der CDU: Eigentumsrecht schlägt Umweltrecht, konstatierte Manfred Büchele – die betroffenen Vögel, Käfer und Fledermäuse „müssen halt eine andere Heimstatt suchen“. Frieder Wurm ergänzte: Aufgrund des auf dem Grundstück bestehenden Baurechts sei es den Eigentümern gegenüber unfair, dem Bauvorhaben einen Riegel vorzuschieben. Oliver Schneider von der FDP merkte an: „Wenn wir nicht gerade auf einem Parkplatz bauen, geht immer Natur verloren.“Die Freien Wähler finden ebenfalls, dass mehr für als gegen eine Bebauung spricht, und Aytun Narcin (SPD) schlug vor, man solle im Interesse der Luftreinhaltung doch versuchen, „in den Hauptfriedhof mit seinen vielen Tieren und Pflanzen zu investieren“. Michael LopezDiaz von der Unabhängigen Liste verstand das ganze Hin und Her nicht, schließlich sei das besagte Grundstück „schon seit Jahren zur Bebauung vorgesehen“. Um den Andermannsberg „abzurunden“, biete es sich an, dort Häuser hinzustellen – selbst wenn dabei „ein Stück Natur flöten geht“. Er warf die Frage auf, „wie hochwertig“die Natur dort sei.
In der Tat kamen etliche Gutachter zu dem Schluss, dass auf dem Grundstück zwar „besonders“geschützte, aber keine „streng“geschützten Vogelarten brüten; die dort wachsenden Pflanzenbestände fallen eher unter die Kategorie „anspruchslos“. Der Bund für Umweltund Naturschutz BUND hingegen positionierte sich strikt gegen das Bauvorhaben, da damit „die vollständige Vernichtung einer der letzten innerstädtischen Streuobstwiesen mit reichhaltiger, schützenswerter Flora und Fauna“samt 40 Bäumen besiegelt sei. Außerdem werde „das städtische Kleinklima durch weitere Versiegelung und Beeinträchtigung von Frischluftströmen negativ beeinflusst“.
Das Gremium stimmte letzten Endes für die Erweiterung
Am Ende half alles nichts: Nachdem Baubürgermeister Dirk Bastin klargemacht hatte, dass es in vielen Punkten schlichtweg „zu spät für eine Debatte“sei, gab das Gremium gegen die vier Stimmen der „Bürger für Ravensburg“sein Okay für die Bebauungsplan-Erweiterung. Man habe, so Bastin weiter, in den vergangenen fünf Jahren mit den Eigentümern „eine verträgliche Weiterentwicklung“ausgetüftelt. Ulrich Höflacher (BfR) betonte dennoch: „Es gibt noch andere als wirtschaftliche Gesichtspunkte.“