Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Präzisionsarbeit mit computergesteuerter Säge
Wie Nikolaus Kernbachs Steinskulptur „Profilschnitt 15“unabsichtlich die „Stadt der Türme“zitiert
In unserer Serie stellen wir in loser Folge „Skulpturen in Ravensburg“vor. In Teil 13 lesen Sie heute über Nikolaus Kernbachs Steinskulptur „Profilschnitt 15“an der Meersburger Straße.
RAVENSBURG - Sie ist 2,44 Meter groß, 43 Zentimeter breit und rührt sich seit nunmehr 18 Jahren nicht vom Fleck: Die Stele „Profilschnitt 15“des Steinbildhauers Nikolaus Kernbach steht seit dem Jahr 2000 an der Meersburger Straße 10 vor den Schaufenstern des Pianohauses Boger. Wieso ausgerechnet dort? „Familie Boger bat mich um einen Entwurf für eine Skulptur vor ihrem Geschäftshaus“, erklärt der Aulendorfer Künstler auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Den Standort der Stele wählte Kernbach so, „dass er etwa auf der Grenze zwischen privatem und öffentlichem Bereich ist“.
Dass die rechteckige Steinskulptur aus Gneis an einen Turm erinnert und ihre Einschnitte ein wenig wie mittelalterliche Burgfenster aussehen, ist dabei reiner Zufall und keinerlei Anspielung auf die „Stadt der Türme“oder das benachbarte Untertor. „Die fünf Ausschnitte haben jeweils das gleiche Profil, welches sich – stark reduziert – an menschliche Maßverhältnisse anlehnt“, erklärt der Aulendorfer Bildhauer. Derartige Profile seien gleichzeitig Gliederungsund Schmuckformen von Bauteilen. „Die Schichtung der Stele verläuft senkrecht und quer zur Blickrichtung durch die offenen Profile. Dadurch entsteht im Durchblick durch die Öffnungen der Eindruck, dass viele solcher Profile wie in Reihe hintereinander stehen.“
Optisch bewirken die Durchbrüche, dass der spröde Gneis in sechs Segmente unterteilt scheint. Doch wie wird solch ein großer Steinblock eigentlich bearbeitet, ohne dass er in einzelne Würfelsegmente aufgespalten werden muss? „Die Profilschnitte wurden mit einer computergesteuerten Seilsäge durchgeführt“, sagt Kernbach. So führen fünf horizontale Schnitte von außen bis zum Beginn der einzelnen Profile. Zerlegt werden müsse die Stele daher nicht. Der Künstler erklärt: „Diese Einführungsschnitte erhöhen gleichzeitig die Spannung zwischen der ganz geschlossenen und der durch die Schnitte geöffneten Hälfte der Stele.“Wegen der identischen Größe der Einschnitte und ihrer technischen Anmutung ergebe sich „eine spannende Gestaltung“, sagt Kernbach.
Doch wer an der Meersburger Straße vor der Stele „Profilschnitt 15“des Steinbildhauers Nikolaus Kernbach steht, sieht genau genommen nur das halbe Kunstwerk. Denn auch die fünf herausgeschnittenen „Fensteröffnungen“gehören zur Skulptur. Wo sie zu finden sind? Sie stehen im Innenraum des Pianohauses. „Von dort aus schaffen sie, als Gruppe angeordnet, einen Bezug nach draußen.“