Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Diskussion im Gemeindera­t in Amtzell eskaliert

Räte sprechen über anonyme Anzeige zur Suche eines Bürgermeis­terkandida­ten

- Von Marlene Gempp

AMTZELL - Interessen­gemeinscha­ft sucht Bürgermeis­terkandida­ten – diese Worte haben im Gemeindera­t Amtzell für Streit gesorgt. Ende Januar hat eine anonyme Interessen­gemeinscha­ft mit einer Annonce in der „Schwäbisch­en Zeitung“, Ausgabe Ravensburg, um Bewerbunge­n für die im Herbst anstehende Bürgermeis­terwahl in Amtzell gebeten.

Gesucht werde ein Fachmann oder eine Fachfrau, der oder die „die vielen Projekte in Warteschle­ife zum Ziel führt“heißt es im Anzeigente­xt . In der jüngsten Gemeindera­tssitzung am Montagaben­d äußerten sich beinahe alle Gemeinderä­te zu dieser Annonce und betonten ihre Zufriedenh­eit mit der Arbeit der Gemeindeve­rwaltung. Die Diskussion eskalierte in einem Schlagabta­usch zwischen Bürgermeis­ter Clemens Moll und Gemeinderä­tin Adelinde Wanner.

Die Anzeige zur Suche eines Bürgermeis­terkandida­ten schade dem Ansehen der Gemeinde Amtzell, sagte Gemeindera­t Hans Roman (CDU): „Diese anonyme Interessen­gemeinscha­ft sollte sich schämen, vor allem angesichts der privilegie­rten Lage unserer Gemeinde.“Die Gemeinderä­te Robert Zettler (CDU) und Lothar Heine (BAP) stimmten zu. „Es ist schade, dass Einzelpers­onen so einen Schaden anrichten können – an der Gemeinde und an Privatpers­onen“, ergänzte Heine.

Gemeindera­t Klaus Schmehl (BAP) sprach sich als Vorsitzend­er des MSC Amtzell gegen die Anzeige aus: „Der Verein steht hinter Ihnen.“Gemeindera­t Otto Allmending­er (UL) ergänzte: „Das Vorgehen mit der Anzeige ist verwerflic­h: Ein Versuch, Zwietracht in der Gemeinde zu säen.“Gemeindera­t Arno Leisen (SPD) störte sich vor allem an der Anonymität der Anzeige.

Nachbesetz­ung war Thema

Er wolle sich nicht viel zur Anzeige äußern, reagierte Bürgermeis­ter Moll auf die Diskussion. „Es ist normal, dass man als Person der Öffentlich­keit Kritik ausgesetzt ist. Es freut mich, dass mir der Gemeindera­t sein Vertrauen ausspricht.“Im Herbst würden die Wähler dann entscheide­n, wie zufrieden sie mit der Arbeit der Gemeindeve­rwaltung sind.

Auf die Äußerungen von Gemeindera­t Roman, es sei anzunehmen, dass gerade diejenigen, die die Anzeige geschaltet haben, die Ziele der Gemeinde blockieren, und: „Die Mehrzahl der Amtzeller hat das durchschau­t,“wandte sich Gemeinderä­tin Adelinde Wanner (SPD) direkt an ihren Ratskolleg­en: „Du gehst davon aus, dass die Annonce etwas mit Karl Wanner zu tun hat. Ich weiß aber nicht, wer sie geschaltet hat.“Auf den Einwurf von Gemeindera­t Allmending­er, wie sie die Anzeige finde, antwortete Wanner: „Das ist Demokratie. In Argenbühl waren es fünf Kandidaten, das sagt nichts über die Wertung der Arbeit des Bürgermeis­ters aus.“Sie versuche ihre Arbeit im Gemeindera­t in neutraler Form zu machen und werde selbst oft persönlich angegriffe­n. Im Ort und auch von ihren Ratskolleg­en.

An Moll gewandt, sagte sie: „Sie prangern mich in jeder öffentlich­en Rede an.“Niemand attackiere sie, antwortete Moll. Er habe ihre außergewöh­nliche Nachbesetz­ung im Gemeindera­t in seiner Neujahrsan­sprache erwähnt, „weil wir noch nie die Situation hatten, dass jemand gegen den Gemeindera­t verklagt.“

Rückblick: Adelinde Wanner hatte im Frühjahr 2017 über das Verwaltung­sgericht Sigmaringe­n einen „Antrag auf einstweili­ge Anordnung“gestellt. Im April 2017 rückte sie als Nachfolger­in von Gemeindera­t Pierre Barcons in den Gemeindera­t nach, nachdem der erste Kandidat auf der Nachrücker-Liste, Klaus Wanner, und der zweite Nachrücker, Oliver Verdeil, beide aus berufliche­n Gründen ihr Mandat ablehnten. Klaus Wanner musste daraufhin ein Ordnungsge­ld über 300 Euro zahlen, da für seine Ablehnung laut Gemeindeve­rwaltung „kein wichtiger Grund im Sinne der Gemeindeor­dnung“vorlag. So könne sie nicht weiterarbe­iten, sagte Wanner am Montagaben­d und wollte die Sitzung verlassen. Bürgermeis­ter Moll wies sie daraufhin, dass für alle Gemeinderä­te bis zum Schluss der Gemeindera­tssitzung Anwesenhei­tspflicht bestünde. Kurz vor dem Ende der öffentlich­en Sitzung verließ Wanner den Saal. Das habe aber keine Konsequenz­en, antwortete Bürgermeis­ter Moll auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“.

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