Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Unfall: Landwirt zu Geldstrafe verurteilt
Amtsgericht in Tettnang sieht Mitschuld des ums Leben gekommenen Motorradfahrers
TETTNANG - Ein für alle Beteiligten unübersehbar sehr belastender Fall ist am Montag im Amtsgericht Tettnang verhandelt worden. Dort musste sich ein Landwirt verantworten, der im Mai 2017 in einen Unfall mit einem Motorradfahrer verwickelt war. Dabei kam der damals 20-jährige Motorradfahrer ums Leben. Das Gericht verurteilte den Landwirt wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro.
„Es tut mir von Herzen leid“– diesen Satz wiederholte der angeklagte Landwirt immer wieder. Wie nah ihm der Unfall immer noch geht, war ihm deutlich anzumerken. Die Stimmung im vollen Sitzungssaal war deutlich gedrückt, viele Freunde des verstorbenen Motorradfahrers verfolgten den Prozess. Die Eltern traten als Nebenkläger auf. Der Landwirt war am 24. Mai 2017 gegen 18.30 Uhr auf der L 333 von Tettnang Richtung Tannau unterwegs und wollte kurz vor Holzhäusern links in einen Acker einbiegen. Dabei übersah er den Motorradfahrer, der ihn von hinten überholen wollte. Der Traktor erfasste den Motorradfahrer während des Abbiegens. Dabei wurde der Motorradfahrer von seinem Motorrad geschleudert und erlitt so schwere Verletzungen, dass er noch an der Unfallstelle starb.
„Kein Motorrad weit und breit“
Zum Unfallhergang machte der Landwirt umfassende Angaben. Er sei mit ungefähr 35 Stundenkilometern unterwegs gewesen und habe den Verkehr hinter sich ständig im Blick gehabt. Er hätte jedoch nicht die offizielle Einfahrt in den Acker nutzen können, da sein Fahrzeug mit hinten und vorne angebauten landwirtschaftlichen Maschinen so breit sei, dass die Einfahrt zu schmal gewesen wäre. Deshalb hielt er schon ein Stück vor dieser Einfahrt, obwohl dort die Linie durchgezogen war und er eine Sperrfläche überfahren musste. Bevor er aber abbiegen wollte, habe er nochmals den Verkehr beobachtet und weit und breit kein Motorrad gesehen. Er fuhr los, um abzubiegen, und in dem Moment prallte der Motorradfahrer auf die vorne angebaute Maschine. „Ich dachte mir, das kann doch nicht wahr sein. Ich bin sofort raus, um Erste Hilfe zu leisten. Das war ein Schock für mich“, beschrieb der Landwirt die Situation.
Trotz der umfangreichen Aussage des Landwirts blieben einige Fragen offen, die ein Gutachter klären sollte. Im Mittelpunkt der Diskussion: die Einstellung der Rückspiegel am Traktor. Beim Eintreffen der Polizei und des Gutachters seien diese nach schräg unten gerichtet gewesen, der linke Spiegel sogar noch etwas mehr als der rechte. Laut Angaben des Landwirts stieß er beim Aussteigen gegen den linken Spiegel, sodass dieser sich verschob. Der Gutachter gab allerdings zu bedenken, dass der Landwirt den Motorradfahrer möglicherweise eineinhalb Sekunden vor dem Abbiegevorgang hätte sehen können, wären die Spiegel höher eingestellt gewesen. Bei dieser Berechnung legte er zugrunde, dass der Motorradfahrer zwischen 60 und 80 Stundenkilometer und der Traktor ungefähr 10 Stundenkilometer gefahren sei. Ob dann noch genug Zeit zum Reagieren geblieben wäre, ließ er offen.
Zeugen bestätigen die Aussage
Die Zeugen bestätigten die Aussage des Landwirts. Der Landwirt habe lange vor dem Abbiegen geblinkt und sein Tempo deutlich verringert, weshalb die hinter ihm fahrenden Autofahrer davon ausgingen, dass der Traktor abbiegen wolle. Den Motorradfahrer haben die Zeugen, die alle hinter dem Traktor herfuhren, erst in letzter Minute gesehen. „Den Schlag vom Aufprall habe ich heute noch in den Ohren. Das werde ich nie vergessen“, sagte eine Zeugin, der die Bestürzung immer noch anzumerken war.
Fahrlässige Tötung gegeben
Die Richterin sah den Tatbestand der fahrlässigen Tötung gegeben, denn der Landwirt habe seine Sorgfaltspflicht verletzt. Allerdings müsse ihm zugutegehalten werden, dass er vorschriftsmäßig geblinkt habe und der Motorradfahrer im Überholverbot nicht hätte überholen dürfen, dieser trage daher eine erhebliche Mitschuld. Das Urteil: Eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 40 Euro. „Jeder macht Fehler im Straßenverkehr. Die schlimmste Strafe ist, dass dieser Unfall passiert ist. Man merkt deutlich, dass der Angeklagte den Unfall noch nicht überwunden hat“, sagte die Richterin zum Abschluss.
Dem Landwirt traten bei den Worten der Richterin die Tränen in die Augen, auch die Eltern des Verunglückten wirkten deutlich mitgenommen. Zum Schluss schüttelten sich Angeklagter und Kläger die Hände: „Ich kann Ihnen nur anbieten, vorbeizukommen und mit uns darüber zu reden. Das hilft ungemein“, bot der Vater dem Landwirt an.