Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Sommerzeit auf dem Prüfstand
EU-Parlament will Uhrenumstellung neu bewerten – und gegebenenfalls abschaffen
STRASSBURG (dpa/AFP) - Im Frühling eine Stunde vor, im Herbst wieder eine Stunde zurück: Vielen Menschen geht die Zeitumstellung gegen den Strich. Das EU-Parlament macht nun Druck im Dauerstreit um die Umstellung zwischen Sommer- und Winterzeit. Die Abgeordneten forderten am Donnerstag die EU-Kommission dazu auf, Vor- und Nachteile der Zeitumstellung genau unter die Lupe zu nehmen und die Regelung gegebenenfalls abzuschaffen.
Ein entsprechender Antrag bekam bei einer Abstimmung in Straßburg eine deutliche Mehrheit. „Jetzt muss die Europäische Kommission endlich reagieren“, teilte der CSUEuropaabgeordnete Markus Ferber mit. Die Zeitumstellung bringe keinen „positiven energetischen oder wirtschaftlichen Effekt“sagte Ferber. Die finnische Grüne Heidi Hautala kritisierte die Regelung als „Relikt aus dem vergangenen Jahrhundert“.
Kritiker argumentieren auch mit gesundheitlichen Gründen. Die FDP-Europaabgeordnete Gesine Meißner zitierte in der Debatte eine Langzeitstudie. Demnach gebe es nach der Umstellung auf Sommerzeit ein Viertel mehr Herzinfarkte, zwölf Prozent mehr Depressionen und 15 Prozent mehr Krankmeldungen. Von einem „Mini-Jetlag“, der vor allem Kinder und Alte treffe, sprach die Spanierin Inés Ayala Sender von den europäischen Sozialdemokraten. Andere Abgeordnete warnten vor mehr Verkehrsunfällen wegen Übermüdung sowie Nachteilen für Bauern, deren Kühe nach der Umstellung zunächst weniger Milch geben. Wieder andere sprachen von übertriebenen „Horrorszenarien“.
Jedes Jahr gingen beim EU-Parlament Hunderte Petitionen gegen die Zeitumstellung ein, sagte der tschechische Abgeordnete Pavel Svoboda von der konservativen Europäischen Volkspartei. „Das zeigt doch, wie dringlich das Thema ist.“
Kein zeitliches Durcheinander
Die EU war zwar für die Einführung der Sommerzeit nicht verantwortlich. Sie verabschiedete aber eine Richtlinie, wonach alle Mitgliedstaaten die Zeitumstellung am gleichen Tag vornehmen müssen. Ziel der 2001 in Kraft getretenen Regelung ist es vor allem, ein zeitliches Durcheinander in der EU und damit Behinderungen des Binnenmarktes zu verhindern.
Zur Abschaffung der Sommerzeit könnte diese Richtlinie so geändert werden, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt ausläuft, schlug der CSU-Abgeordnete Ferber vor. Ab diesem Datum sollte es dann keine Zeitumstellungen mehr geben.