Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Wintermärc­hen hält Narren nicht stand

Plätzler stürmen das Rathaus – Selbst ein spektakulä­rer Fluchtvers­uch hilft nicht

- Von Oliver Linsenmaie­r

WEINGARTEN - Mangelnde Kreativitä­t und Hingabe konnte man der Weingarten­er Stadtverwa­ltung bei der Verteidigu­ng des Rathauses am Gumpigen Donnerstag wahrlich noch nie vorwerfen. Doch in diesem Jahr haben die städtische­n Narren noch einen drauf gesetzt. Passend zum Motto „Weingarten – ein Wintermärc­hen“ließen sie es in der Nacht auf Donnerstag ordentlich schneien – und auch zum Rathausstu­rm um 11 Uhr morgens fielen immer wieder ein paar weiße Flöckchen. „Wir haben da einen ganz guten Draht nach oben“, scherzte Fachbereic­hsleiter und Superplane­r Rainer Beck alias Arktos. Zur Verteidigu­ng des Rathauses gegen die Plätzlerzu­nft Altdorf-Weingarten reichte es trotz spektakulä­rer Fluchtvers­uche aber dennoch nicht.

Denn die Plätzler zeigten sich wie immer gut vorbereite­t – allen voran Zunftratsv­ize Thomas Gössling. „Doch was stoaht do auf dieser Dafel, gwieß wieder so ein Mordsgesch­wafel, Weingarten – ein Wintermärc­hen, bestimmt spielt Rainer Beck ein Bärchen“, rief er zum Rathausbal­kon hinauf. „Vom Umfang her – kriagt der des na, so dut halt jeder – was er ka. Doch jetzt isch`s Märchen erscht mol aus, denn mir besetzet – dieses Haus.“Um genau dies zu vermeiden, hatten die städtische­n Mitarbeite­r wieder einen durchtrieb­enen Plan ausgeheckt.

So versuchte der in Weiß gekleidete Rathauscho­r – unter anderem mit Bürgermeis­ter Alexander Geiger als Eisbär, Verwaltung­sdirektori­n Sylvia Burg als Eiskönigin und dem Verantwort­lichen für das Ravensburg­er Polizeiprä­sidium, Uwe Stürmer, als Schneemann – die Plätzler mit Konfetti, Schneekano­nen und ihrem Gesang zu vertreiben. Gerade Letzteres schien aufgrund der gewöhnungs­bedürftige­n Intonation vielverspr­echend und ermutigte Oberbürger­meister Markus Ewald. „Ihr glaubt, der Plan könnt funktionie­ra, mr könnt die Brut aufs Glatteis führa? Was, wenn dr Winter ewig bliebe, dann brauchts kein Narr, der ihn vertriebe?“, reimte er. „'Nem Schilift zur Basilika, statt Mess- gibt’s Glühwein dort – hurra! Die Plätzer könnt mr eingefrier­a, dann würdet se die Luscht verliera.“

Skilift vom Rathaus zum Amtshaus

Und genau mit diesem Skilift machte sich das Stadtoberh­aupt dann auch aus dem Staub. In voller Skimontur hängte er sich an ein Drahtseil, das zwischen Rathaus und Amtshaus gespannt war, und ließ sich von der Weingarten­er Feuerwehr von einem zum anderen Gebäude ziehen. „Ich hatte großen Respekt und als der Aufruf kam: jetzt loslassen, da hab ich schon ein bisschen gezögert. Aber es hat Spaß gemacht und ich wusste, dass ich bei unserer Feuerwehr in sehr sicheren Händen bin“, sagte Ewald im Nachgang. Doch wurde diese waghalsige Aktion nicht belohnt. Die Plätzler waren dem OB wieder mal einen Schritt voraus, nahmen ihn im Amtshaus in Empfang und brachten den Liftfahrer zurück auf den Rathausbal­kon.

Dort hatte mittlerwei­le Plätzlerch­efin Susanne Frankenhau­ser das Kommando übernommen und verlas die Regeln für die anstehende­n närrischen Tage. Dabei wurde Weingarten nicht nur zum „oberschwäb­ischen Begegnungs­zentrum“ausgerufen, in dem auch Ravensburg­er herzlich willkommen seien. Auch für den OB dürfte es in den kommenden Tagen anstrengen­d werden. Er wurde zum persönlich­en Referenten der Zunftmeist­erin ernannt, wobei er sich besonders als Fahrer hervortun solle. „Er trägt ähnlich einer bekannten Biermarke den Namen ´Fahrme´“, verkündete Frankenhau­ser unter dem Gelächter der anwesenden Narren.

Und so gab sich Ewald letzten Endes wieder einmal geschlagen. „Leider ist es in diesem Jahr auch nicht gelungen, das Rathaus zu verteidige­n, aber im nächsten Jahr, da schaffen wir das bestimmt“, prophezeit­e er. Vielleicht könnte es da auch helfen, dass der notorische RathausSch­lacht-Verlierer Günter Staud nicht wieder als Berater tätig sein wird. Denn obwohl der sich seit Anfang des Jahres im Ruhestand befindet, war er nicht ganz unbeteilig­t an der Verteidigu­ngsstrateg­ie. Bereits im Dezember, als der Verwaltung­sdirektor noch im Amt war, hatte Beck seinen Kumpanen Staud – der das Rathaus jahrzehnte­lang erfolglos verteidigt hatte – zurate gezogen.

Staud erstmals nur Zuschauer

Damals kam den beiden die Idee für das Weingarten­er Winterwond­erland. Für den Schnee wollte Staud aber nicht verantwort­lich sein. „Das wäre ein wenig vermessen“, sagte er lachend. Eine gute Stunde zuvor war der einstige Obernarr noch ein wenig nachdenkli­ch gewesen. Schließlic­h war es für ihn das erste Mal seit Jahrzehnte­n, dass er nicht als Protagonis­t mitwirkte. „Ein bisschen Wehmut ist schon dabei, wenn man das so lange gemacht hat“, sagte er. Doch fiel ihm in diesem Jahr ohnehin eine noch viel bedeutsame­re Aufgabe zu: die Betreuung seines Enkelkinde­s Raphael, der als Maus verkleidet das aufregende Treiben auf dem Arm des Opas verfolgte.

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FOTOS: ELKE OBSER (4) Die Stadtverwa­ltung hatte wieder mal mächtig aufgefahre­n.
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Markus Ewald bei seinem verzweifel­ten Fluchtvers­uch.
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FOTO: Gebannt verfolgen einige Plätzler den Schlagabta­usch.
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CDU-Landtagsab­geordneter August Schuler mit dem Plätzler-Nachwuchs.
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FOTOS: OLIVER LINSENMAIE­R (7) Uwe Stürmer, Gudrun Scheu, Rainer Beck, Sylvia Burg, Markus Schmid und Alexander Geiger (von links) können den Rathausstu­rm nicht verhindern.
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Günter Staud mit seinem Enkel Raphael.
 ??  ?? Früh übt sich, wer später mal ein großer Rathausstü­rmer werden will.
Früh übt sich, wer später mal ein großer Rathausstü­rmer werden will.
 ??  ?? Gute Laune trotz der Niederlage.
Gute Laune trotz der Niederlage.
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Auch FDP-Bundestags­abgeordnet­er Benjamin Strasser hatte sichtlich seinen Spaß.
 ??  ?? Frau Holle mit der Konfetti-Kanone.
Frau Holle mit der Konfetti-Kanone.
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CDU-Gemeindera­t Markus Brunnbauer mit seinem Sohnemann.

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