Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zu brav, zu naiv, zu grün
Eishockey-Fehlstart – Sturm beklagt DEL-Niveau
PYEONGCHANG (SID/dpa) - Auf der größten Eishockey-Bühne rutschte selbst den Ältesten das Herz in die Hose. „Es ist was Neues, das kann man keinem verübeln“, sagte Rekordtorjäger Patrick Reimer nach dem Fehlstart ins olympische Turnier von Pyeongchang. Trotz seiner 35 Jahre, 101 Länderspiele und 318 Tore in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) präsentierte sich der Nürnberger bei der 2:5 (1:2, 0:2, 1:1)-Auftaktpleite gegen Finnland nicht anders als seine Teamkollegen – zu brav, zu naiv, zu grün.
„Jeder war nervös“, stellte Bundestrainer Marco Sturm von der Bank aus fest. Dumme Strafzeiten, zittrige Pässe, überhastete Torschüsse: Mit ihrem Lampenfieber im Schatten der fünf Ringe machten es sich die deutschen Nationalspieler bei ihrer Olympia-Rückkehr nach acht Jahren selbst schwer – und dem Gegner leicht. „Wir müssen schauen, dass wir den Kopf nicht verlieren“, mahnte Reimer, der zweitälteste im Team, aber auch einer von 20 Olympia-Debütanten auf dem Eis. Insgesamt neun Spieler in Sturms Team haben mehr als 100 Länderspiele auf dem Buckel, elf das 30. Lebensjahr hinter sich – und doch zitterten den meisten die Knie. In den entscheidenden Szenen patzten Alt und Jung.
Deshalb fasste Sturm auch zusammen: „Genau die drei, vier, fünf, sechs, sieben Fehler waren zu viel.“Den deutschen NHL-Rekordspieler störte aber auch, dass seine Angreifer zu selten direkt vor dem Tor arbeiteten. „Das ist generell ein deutsches Problem“, meinte Sturm. In der DEL kämen Reimer und Co. ohne die oft schmerzhafte Präsenz vor dem Kasten aus, international sei sie aber zwingend notwendig: „Das haben uns die guten Nationen voraus, da schießt man die Tore.“Dass Deutschland dies nicht gelang, läge auch am Niveau DEL, aus der sein Kader aufgrund des NHL-Boykottsnotgedrungen rekrutiert werden musste. „Das ist ein anderes Level hier und ein anderer Speed“, sagte der deutsche NHL-Rekordspieler.
Für das Spiel am Freitag (21.10 Uhr OZ/13.10 MEZ) gegen Weltmeister Schweden gelobte Reimer Besserung. „Die Nervosität sollte jetzt endgültig raus sein.“Dass es gegen Goldkandidaten nicht leichter wird, ist klar: „Wer hierhergekommen ist und gedacht hat, es wird ein Spaziergang, der hat sich sauber geschnitten.“
Tore: 1:0 Lepistö (4.), 1:1 Macek (9.), 2:1 Pyörälä (16.), 3:1 Tolvanen (38.), 4:1 Kukkonen (39.), 4:2 Hördler (42.), 5:2 Kemppainen (53.). – Zuschauer: 3695. – Strafminuten: 10:10.