Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eschersteg soll an anderen Ort
Dem Ravensburger Oberbürgermeister schwebt (Teil)-Aufbau des Denkmals an anderer Stelle vor
OB Rapp will Denkmal nicht am Bahnhof Ravensburg wieder aufbauen.
RAVENSBURG - Der Eschersteg muss nicht am Ravensburger Bahnhof wieder aufgebaut werden. Das behauptet zumindest Oberbürgermeister Daniel Rapp nach einem Gespräch mit dem Tübinger Regierungspräsident Klaus Tappeser (beide CDU). Grund: Der 1909 errichtete Fußgängerübergang über die Bahngleise, von dem seit 2005 nur noch die Treppenaufgänge stehen, sei nicht wegen seines Standorts, sondern der einzigartigen Nietenkonstruktion schützenswert. „Es muss nicht zwingend in situ aufgebaut werden“, meint Rapp. Der lateinische Begriff „In situ“, wörtlich „am Ort“, heißt in der Architektensprache „an der ursprünglichen Position“.
Wie Rapp weiter sagte, würde das Denkmal nach der Elektrifizierung der Südbahn ohnehin nicht mehr so aussehen können wie früher, falls es an alter Stelle wiederaufgebaut würde. Zumindest müsste es erhöht und mit einem Anprall- und Berührungsschutz versehen werden. „In einen Tresorraum“wolle die Stadt den Eschersteg aber nicht einschließen, sondern „irgendwie sichtbar machen“. Es könnte also sein, dass ein längeres Teilstück an exponierter Stelle dauerhaft ausgestellt wird. Es als Brücke über die Schussen zu spannen, wie die CDU-Fraktion im Gemeinderat angeregt hatte, hält Rapp nicht für sinnvoll.
Gleichwohl soll es, wenn es nach dem OB geht, keine zweite Unterführung im neu gestalteten Bahnhofsumfeld geben. Das hatten die Gewinner des städtebaulichen Ideenwettbewerbs eigentlich vorgeschlagen. Rapp setzt stattdessen eher auf einen neuen Fußgängerüberweg. Das sei nicht nur viel billiger, sondern auch logischer, weil eine Unterführung nicht von weither sichtbar sei, ein Überweg hingegen schon. „Die zweite Querung macht Sinn“, so Rapp: und zwar für die Fernbusreisenden, für die Menschen, die mit den regulären Buslinien fahren, und für die Naherholungssuchenden, die künftig das neu gestaltete Schussenufer samt kleinem Park und Kiosk oder Café jenseits der Gleise ansteuern wollen.
Derweil haben sich die Mitglieder des Fördervereins Eschersteg, die der Stadt schwere Versäumnisse bei der Lagerung des Denkmals vorwerfen, in verschiedenen Schreiben an den Petitionsausschuss des Landtags und den baden-württembergischen Justizminister Guido Wolf gewandt. Im Schreiben an den Petitionsausschuss fordert der Vereinsvorsitzende Winfried Schneider, „dass die untere Denkmalschutzbehörde ein hohes Bußgeld gegen die Stadt Ravensburg verhängt“. Im offenen Brief an Minister Wolf meint Schneiders Vater Alfred: „Die Stadt verletzt ihre Pflicht zum Erhalt des Kulturdenkmals in verantwortungsloser Weise.“ Durch „bewusst falsche Lagerung und Bauverzögerungen“werde der Schaden „exponentiell wachsen“. Die Stadt versuche seiner Meinung nach alles, um den Wiederaufbau zu verzögern, „um nachher behaupten zu können, der Steg sei inzwischen so sehr verrostet und in einem so desolaten Zustand, dass man ihn nicht mehr sanieren, sondern nur noch verschrotten könne“.
Zum Hintergrund: 1997 hatte die Stadt Ravensburg den Eschersteg von der Deutschen Bahn geschenkt bekommen – schon damals in marodem Zustand, wie die Stadt meint. 2005 wurde der Übergang bis auf die Treppenaufgänge abmontiert und in Mariatal gelagert. Durch die neue Bahnunterführung hatte sich sein Zweck erledigt. Der damalige Oberbürgermeister Hermann Vogler versprach aber, das Denkmal mittelfristig wieder aufzubauen. Daraus wurde allerdings nichts, der Steg rostete jahrelang vor sich hin, und auch im Gemeinderat hat das Denkmal nicht allzu viele Freunde. Viele halten es hinter vorgehaltener Hand schlicht für einen Haufen Schrott. Schon gar nicht wollen die Gegner 2 bis 2,5 Millionen Euro für Sanierung und Wiederaufbau ausgeben.
Das Dilemma: Nachdem sich eine große Mehrheit im Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderats dafür ausgesprochen hatte, den Eschersteg bei der weiteren Planung des Bahnhofsumfeldes nicht weiter zu berücksichtigen, stellte die Stadt beim Denkmalamt des Regierungspräsidiums Tübingen den Antrag, es aus der Landesdenkmalliste zu streichen und nicht sanieren zu müssen. Beides wurde abgelehnt. Dagegen klagt die Stadt vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen, um Zeit für eine öffentliche Debatte zu gewinnen – wohlwissend, dass die Erfolgsaussichten der Klage gering sind. Den Steg an anderer Stelle (teil-)aufzubauen nach der Sanierung, wie es OB Rapp nun vorschwebt, wäre ein Kompromiss.