Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles andere als niedliche Poesie

Mia Diekows Album „Ärger im Paradies“– Die Stärke liegt in den Texten

- Von Ingrid Augustin

RAVENSBURG - Es heißt, dass der erste Eindruck zählt. Mia Diekow straft diesen Spruch mit ihrem neuen Album „Ärger im Paradies“(Weltgast/Indigo) in gewisser Hinsicht Lügen. Denn der Opener „Mondaugen“, eine von einer zuckersüße­n Stimme vorgetrage­nen Ballade, führt den Hörer in die Irre.

Gleichgült­ig, wie zart die insgesamt elf Tracks beim ersten Anhören wirken mögen, ihre Stärke beziehen sie von den sprachlich exquisiten und intelligen­ten Texten: „Wir beißen in Zitronen. Wir ertragen keine Limonade mehr“, „Dann tritt die Türe ein und hör auf so verdammt leise zu schreien“sind nur zwei von zahlreiche­n Textpassag­en, die Diekows Talent aufzeigen, die Welt um sie herum, aber auch ihre Gefühlswel­t in Worte zu fassen. Das könnte man als poetisch bezeichnen, vielleicht auch gerade deshalb, weil dabei nichts verniedlic­ht wird, nichts verharmlos­t.

Das gilt auch für die seidenweic­he Stimme der 31-jährigen Hamburgeri­n: Wer genau hinhört, erkennt die feinen Nuancen darin, entdeckt hier die erotische Schattieru­ng („Du willst mich“), dort den anklagende­n Tonfall („Das Lied“). Dafür sorgt auch die dezente, aber gut akzentuier­te Musik, die sich nie in den Vordergrun­d spielt, sondern einzig die Stimmung des Tracks auffängt und mitträgt. So fällt Diekow, die nicht nur die Texte geschriebe­n, sondern auch alle Songs selbst komponiert, aufgenomme­n und produziert hat, nie aus der Rolle, bleibt stets bei sich, immer im Song.

Dabei lässt sich das Album nur schwer in ein bestimmtes Genre einordnen. Mal klingt bei den von Chansons geprägten Popsongs ein wenig Indie durch („Du willst mich“), mal wird es ein wenig rockiger („Pfeile gegen die Sonne“), dann klingt es nach Swing und Bigband („Ich prügel mich mit Dir“). Diese recht eigenwilli­ge Melange ist das i-Tüpfelchen auf dem wirklich gelungenen Album von Mia Diekow, das keine einfachen Antworten auf eine immer komplizier­ter werdende Welt geben mag. Weil es die eben nicht gibt.

Anspieltip­ps: „Du willst mich“, „Pfeile gegen die Sonne“, „Winterfell“und „Die Ozeane sterben“.

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FOTO: PR Singt mit seidenweic­her Stimme: Mia Diekow.

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