Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rückschlag für Klimaziele
Kohlendioxidausstoß steigt durch sinkenden Dieselanteil
STUTTGART (ben/tja) - Die drohenden Fahrverbote für Dieselautos sind ein Rückschlag im Kampf um eine Senkung des Kohlendioxidausstoßes, der 2017 erstmals wieder gestiegen ist. Nach Ansicht von Autoexperte Willi Diez wird es für die Konzerne darum immer schwieriger, die künftigen EU-Grenzwerte einzuhalten. „Das ist eine direkte Folge davon, dass der Dieselanteil bei den verkauften Autos zurückgegangen ist“, sagte Diez der „Schwäbischen Zeitung“.
In Stuttgart präsentierten unterdessen ADAC und Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) eine Studie zur Nachrüstung von Dieselautos. Das Ergebnis: Nachgerüstete Fahrzeuge stießen bis zu 70 Prozent weniger Schadstoffe aus. Die Kosten lagen bei bis zu 3300 Euro pro Auto. „Die Hersteller haben zur Nachrüstung stets gesagt: Geht nicht, es funktioniert nicht, ist zu teuer“, sagte Hermann. Das sei nun widerlegt.
RAVENSBURG - Sollte das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag Fahrverbote für Dieselautos genehmigen, wäre die blaue Plakette für Fahrzeuge, die die Abgasbestimmungen erfüllen, die einzige Möglichkeit, um Verbote effektiv durchzusetzen. Daran lässt Willi Diez, Chef des Instituts für Automobilwirtschaft (ifa) der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen-Geislingen, keine Zweifel. Benjamin Wagener hat sich mit dem 64Jährigen über die Folgen für die Automobilindustrie, die Zukunft des Dieselmotors und über die Tatsache unterhalten, warum die Fahrer von Geländelimousinen (Sport Utility Vehicle – SUV) ein schlechtes Gewissen haben sollten.
Herr Diez, sollte es zu einem Verbot kommen, werden Kunden in Zukunft noch Dieselautos kaufen?
Es wird weiterhin Kunden geben, die Dieselautos wollen, weil gerade bei großen und schweren SUVs der Diesel weiterhin Sinn macht. Ich denke, die Industrie hat nun begriffen, um was es da geht: Sie muss die Technologien, die verfügbar sind, auch wirklich in die Fahrzeuge einbauen.
Das heißt, es gibt Techniken, die die Abgase von Dieselautos zuverlässig von Stickoxiden reinigen?
Ja, wir können einen Dieselmotor, was die Emissionsbestandteile anbelangt, so sauber machen wie einen Benziner. Überdies hat der Diesel dann noch den Kohlendioxid-Vorteil. Insofern ist der Dieselmotor vom Grundsatz her nach wie vor ein technisch sehr interessantes Aggregat. Aber man muss eben die Systeme zur Abgasreinigung, die man hat, auch einsetzen. Und sie müssen funktionieren – nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch im Echtbetrieb.
Warum stößt ein Diesel weniger Kohlendioxid aus als ein Benziner?
Diesel hat einen höheren Wirkungsgrad, dadurch brauche ich weniger Kraftstoff – und die KohlendioxidEmission korreliert direkt mit dem Kraftstoffverbrauch. Die höhere Effizienz gründet sich im Wesentlichen auf den höheren Verdichtungsdruck im Aggregat sowie den höheren Energiegehalt von Dieselkraftstoff. Natürlich haben wir auch bei den Benzinern durch die Direkteinspritzung die Entwicklung, dass die Effizienz größer wird – aber Benziner werden nie den Wirkungsgrad erreichen, den ein Diesel hat.
Wenn technische Systeme Dieselautos so sauber machen können wie Benziner, ist es möglich, die Technik nachträglich einzubauen?
Das ist eine schwierige Frage. Es gibt völlig konträre Auffassungen, und ich kann die Hardwarelösungen nicht auf Prüfständen beurteilen. Daimler-Chef Dieter Zetsche hat die Frage auf der Bilanzpressekonferenz gerade erst wieder verneint. Er geht davon aus, dass bei einer nachträglichen Hardwarelösung der Kraftstoffverbrauch steigt und die Leistung des Motors geringer wird.
Warum sträuben sich die Autokonzerne so gegen die technische Nachrüstung? Man hat das Gefühl, die Konzerne prüfen diese Möglichkeit gar nicht ernsthaft.
Es sind die Kosten, die da die Hauptrolle spielen. Man muss sehen, dass ein nachträglicher Eingriff in ein Auto immer mit hohem Aufwand verbunden ist. Das wird unterschätzt. Und gerade der Antriebsstrang ist ein hochkomplexes System. Da geht es nicht nur um den Motor, sondern auch um die Getriebeabstimmung.
Im vergangenen Jahr sind die Dieselverkaufszahlen runtergegangen, der Anteil der Benziner steigt. Was bedeutet diese Entwicklung für die Kohlendioxidwerte in der Flottenbilanz der Autokonzerne?
Der Ausstoß von Kohlendioxid steigt. Die durchschnittlichen Emissionen von Kohlendioxid der im Jahr 2017 verkauften Autos waren höher als im Vorjahr – und das in einer Situation, in der wir ja eigentlich Kohlendioxidemissionen reduzieren wollen. Das ist eine direkte Folge davon, dass der Dieselanteil bei den verkauften Autos zurückgegangen ist. Die Folge ist, dass es für die Hersteller deutlich schwieriger wird, die für 2020/21 geltenden Grenzwerte zu erfüllen. Sind die Kohlendioxidgrenzwerte der Europäischen Kommission ohne Dieselautos einzuhalten?
Ja, wenn ich entsprechend mehr Elektrofahrzeuge verkaufe.
Die Autohersteller sprechen immer von der Zukunftsfähigkeit des Diesel. Wie zukunftsfähig ist der Motor denn nun?
Der Diesel wird weiter an Bedeutung verlieren, egal, wie das Urteil am Donnerstag ausgeht. Der Motor ist so stark angeschlagen, er hat so ein großes Imageproblem bekommen, dass viele Kunden dieses Aggregat einfach nicht mehr haben wollen, obwohl ein Diesel so sauber wie ein Benziner sein kann.
Ist der Kunde nicht auch ein wenig schuld an der Entwicklung – er will doch die dicken, schweren SUVs. Die Verkaufszahlen für die Straßenbrummer, die nur mit Diesel halbwegs ökologisch betrieben werden können, steigen jedes Jahr.
Das stimmt. Dass wir die Kohlendioxidemissionen im Straßenverkehr in Deutschland nicht richtig senken können, ist dieser Tatsache ganz wesentlich geschuldet. Gar keine Frage. SUVs und auch Allradfahrzeuge brauchen im Durchschnitt wesentlich mehr Kraftstoff. Der Trend bei den Verkaufszahlen ist kontraprodutiv zu den Bestrebungen, den Schadstoffaustausch zu senken.
Funktioniert das SUV-Konzept auch mit Benzinmotoren?
In dem Moment, in dem ich einen SUV ohne Dieselmotor haben will, habe ich ein Problem. Der Verbrauch eines großen SUVs mit Benzinmotor ist um drei bis vier Liter höher als bei einem vergleichbaren SUV mit Dieselmotor – und dann werden einige Leute nachdenken und sich fragen, ob sie wirklich einen SUV brauchen. Mancher Fahrer wird in einen Gewissens- und Zielkonflikt kommen.
Wenn das Gericht Fahrverbote zulässt, wie können die am Ende durchgesetzt werden?
Dann ist aus meiner Sicht die blaue Plakette unausweichlich. Nachdem CSU-Politiker Alexander Dobrindt, der diese Lösung über Jahre verhindert hat, künftig nicht mehr Bundesverkehrsminister sein wird, sind die Chancen vielleicht auch da, dass diese Lösung, die ich für sinnvoll und notwendig halte, auch kommt. Ohne blaue Plakette kann keiner die Fahrverbote kontrollieren.
Was ifa-Chef Willi Diez über die steuerliche Förderung von Dieselkraftstoff sagt, lesen Sie unter