Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Von Frieden ist Kolumbien noch weit entfernt
Es war ein ambitioniertes Projekt von Juan Manuel Santos, aber vielleicht von Anfang an zum Scheitern verurteilt: Kolumbiens Präsident wollte sein Land in nur acht Jahren befrieden. Aber was sind zwei Legislaturperioden gegen zwei Generationen Gewalt, Guerilla und Grauen?
Der Friedensnobelpreis für Santos Ende 2016 war dann auch vor allem die Anerkennung für unermüdliches Ringen um Frieden während der vierjährigen Verhandlungen mit den Farc. Schließlich hat der Präsident etwas geschafft, das kaum jemand für möglich hielt: Er beendete den Krieg zwischen dem Staat und den „Revolutionären Streitkräften Kolumbiens“, der ältesten und größten Rebellenorganisation Lateinamerikas. Es ist der wichtigste Schritt zu einem künftigen Frieden in dem südamerikanischen Land. Wie weit der Weg bis dahin noch ist, zeigte sich Mitte Februar. Der Friedensprozess zwischen der Linksguerilla ELN, gleichsam der kleinen Schwester der Farc, und der Regierung ist nach nur einem Jahr schon wieder zu Ende. Auch wenn die formelle Aufhebung der Verhandlungen in Quito noch aussteht, gibt es keine Chancen mehr, bis zur Präsidentenwahl am 27. Mai zu einem Friedensschluss zu kommen.
Angriffe auf die Infrastruktur
Und so sind die Gespräche mit der ELN längst zum Wahlkampfthema geworden und geben denjenigen Kandidaten Auftrieb, die gegen ein Abkommen mit den Rebellen sind. Seit dem Ende eines viermonatigen Waffenstillstands Anfang Januar hat die ELN ihre Angriffe auf Sicherheitskräfte und die Infrastruktur Kolumbiens wieder intensiviert. Zudem drängt die ELN in vielen Gebieten Kolumbiens in die Territorien, die vorher von den Farc besetzt waren und nun verwaist sind. Nach Einschätzung von „InsightCrime“, einer US-Nichtregierungsorganisation, die das Organisierte Verbrechen in Lateinamerika beobachtet, übernimmt die Linksguerilla zunehmend den Drogenhandel und die abtrünnigen FARC-Kämpfer, die sich nicht dem Friedensabkommen unterworfen haben.
Die ELN wurde 1965 nur ein Jahr nach der Farc gegründet. Anders als diese hat sie aber keine ländlichen Wurzeln, sondern war zunächst eher eine Stadtguerilla, die sich an der kubanischen Revolution orientierte. Die Gespräche zwischen ELN und Regierung haben kaum Fortschritte erzielt. Die ELN pocht stärker auf die aktive Beteiligung der Bevölkerung am Prozess. Diese aber ist an den Gesprächen weitgehend desinteressiert. Das zähe Ringen mit der Farc und der von der Bevölkerung abgelehnte, dann aber im Parlament durchgepaukte Friedensvertrag hat die Kolumbianer ermüdet.
Analysten gehen davon aus, dass noch mehrere Jahre vergehen, bis es ein Friedensabkommen mit der ELN geben wird. Der Rebellengruppe, die heute noch rund 2000 Männer und Frauen unter Waffen hat, fehlt es an Vertrauen in Staat und Gesellschaft. Das Scheitern der Verhandlungen mit der ELN ist auch eine persönliche Niederlage für Präsident Santos. Nach 50 Jahren Bürgerkrieg mit 250 000 Toten und sieben Millionen Vertriebenen wartet Kolumbien weiter auf Frieden.