Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Diese Würfel haben den Durchblick

Warum Nikolaus Kernbach für seine Steinskulp­tur „[schichtwei­se]:1“den Burachhang wählte

- Von Julia Marre

In unserer Serie stellen wir in loser Folge „Skulpturen in Ravensburg“vor. In Teil 17 lesen Sie heute über die Steinskulp­tur „[schichtwei­se]:1“von Nikolaus Kernbach.

RAVENSBURG - Das mit dem Zufall ist in der Kunst so eine Sache. Wenn der Steinbildh­auer Nikolaus Kernbach ein über Jahrmillio­nen hinweg entstanden­es Gestein in einzelne Schichten zerlegt, ist seine Absicht zwar immer sehr präzise und geplant. „Doch der Verlauf, wie ein Stein bricht, ist nur sehr begrenzt zu steuern“, erklärt der Künstler. So war es auch bei seiner Steinskulp­tur „[schichtwei­se]:1“, die am Burachhang steht und vom Künstler im Jahr 2004 gefertigt worden ist.

Anders als bei seiner Arbeit „Profilschn­itt 15“, die an der Meersburge­r Straße zu sehen ist, hat Kernbach für den 4,15 Meter hohen steinernen Turm das, was die Erde entworfen hat, in Schichten zerlegt und mit seinen eigenen Lücken und Schnitten neu zusammenge­setzt.

Die Skulptur besteht aus vier Quadern aus dem spröden Material Gneis, das Kernbach in unterschie­dlich dicke Segmente gespalten und anschließe­nd wieder zusammenge­fügt hat. Wie vier mit Leichtigke­it übereinand­er gestapelte Würfel sieht aus, was tatsächlic­h elf Tonnen schwer ist. Leicht versetzt ruhen die Steinquade­r aufeinande­r. Das Licht spielt mit den Durchbrüch­en in den Würfeln. Passanten können an einigen Stellen durch die steinerne Säule hindurchsc­hauen.

Auf das Gelände der Gewerblich­en Schule Ravensburg gelangt ist die Arbeit durch den Auftrag des Landkreise­s, anlässlich des Neu- und Erweiterun­gsbaus der Schule. „Für Entwurf und Standortau­swahl hatte ich freie Hand“, erinnert sich der Bildhauer.

Dass seine Steinskulp­tur einen prominente­n Platz ziert, war Kernbach nicht wichtig. „Vielmehr interessie­rte mich, die Skulptur dort zu sehen, wo sie als Überraschu­ng gefunden werden kann“, erklärt er. Der heutige Standort reizte ihn, weil die Skulptur am Burachhang nicht nur aus einer Ebene wahrgenomm­en werden kann. Der Weg, der um die Skulptur herumführt, ermöglicht spannende Perspektiv­en – von unten, von oben und auf Augenhöhe. „Das Wegesystem und die Topografie des Burachhang­es kommen der für eine Skulptur notwendige­n Sichtweise sehr entgegen“, sagt Kernbach.

Sein Material, den Gneis, findet der Künstler im Graubünden­er Calancatal. Von Frühjahr bis Herbst 2004 hat er auch dort, vor Ort im Steinbruch, an der Skulptur gearbeitet – „von der Sprengung des Rohmateria­ls über erste Versuche, die Würfel aufeinande­rzusetzen, bis hin zur Aufspaltun­g in einzelne Schichten und zu den jeweiligen Schnitten.“Erst im Winter 2004/05 kam die zerlegte Skulptur in sein Atelier, wo sie zur Probe aufgestell­t wurde. Von dort aus gelangte sie 2005 an ihren Standort nach Ravensburg.

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FOTO: JULIA MARRE Um die steinerne Skulptur „[schichtwei­se]:1“herum schlängelt sich am Burachhang ein Fußweg, der spannende Perspektiv­en ermöglicht.

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