Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Prozess wegen gefällter Kastanien beginnt in Tettnang
Grundstückseigner aus Friedrichshafen soll 15 000 Euro Strafe zahlen, doch er sieht sich im Recht
FRIEDRICHSHAFEN - Im Dezember 2015 hat ein Grundstückseigner in Ailingen acht Kastanien gefällt – aus Sicht des Landratsamts Bodenseekreis illegal. Dafür soll er dann rund 15 000 Euro zur Strafe zahlen. Weil er sich dagegen wehrt, landet der Fall nun vor Gericht.
150 Jahre alt waren acht Kastanien, die im Dezember 2015 in Ailingen an einem Parkplatz gefällt wurden. Sie prägten das Bild des Friedrichshafener Ortsteils rund um den ehemaligen Gasthof „Zum Alten Rathaus“. Glaubt man Grundstückseigner Michael Volkwein waren die acht Bäume gesundheitlich angeschlagen.
Die Kastanien seien weder Naturdenkmäler gewesen noch anderweitig schützenswert. „Wegen des schlechten Allgemeinzustands der Bäume und unserer Verkehrssicherungspflicht war schnelles Handeln geboten. Die beauftragte Firma musste sogar mit speziellen Bühnen arbeiten, da die Gefahr bestand, das die Bäume in sich zusammenbrechen“, so Volkwein in einem Schreiben an das Landratsamt aus dem Jahr 2017. Das belege auch ein Gutachten, dass er damals anfertigen ließ.
„Ja, wir wollten diese Bäume fällen. Das ist richtig. Aber sie waren zum Großteil kaputt, da wohnten keine schützenswerten Tiere drin und auch der Zeitpunkt der Fällung war so abgestimmt, dass wir sicher sein konnten, dass dort zum Beispiel keine Vögel nisten“, fasst der Grundstückseigentümer seine damalige Entscheidung zusammen.
Diese Darstellung ist allerdings bis heute umstritten. Heinz Tautkus, Ailinger Urgestein und SPD-Stadtrat, versuchte 2015 nämlich, die Fällung der Kastanien zu verhindern. Mehrfach mussten die Arbeiten wegen Protests von ihm und anderen unterbrochen werden. Erst beim vierten Versuch des Grundstückseigners fiel dann doch noch die letzte der acht Kastanien. Ob das erlaubt war oder nicht, daran scheiden sich bis heute noch die Geister.
Die Gegner der Fällaktion, darunter das Landratsamt Bodenseekreis waren der Ansicht, dass es keine Genehmigung für die Fällarbeiten gegeben habe. Dazu kam der Verdacht, dass der Grundstückseigner schlicht Fakten schaffen wollte. Wo nämlich zunächst von einer Neuordnung des Parkplatzes die Rede war, soll demnächst ein Mehrfamilienhaus stehen. „Ich bin noch sauer. Diese Bäume haben einen Wert dargestellt, der unwiederbringlich verloren ist“, sagt Heinz Tautkus, mehr als zwei Jahre nach dem Geschehen.
Die Fällaktion hatte ein lange andauerndes, juristisches Nachspiel zur Folge. Dessen letzter Akt soll nun am Freitag in Tettnang stattfinden: Grundstückseigner Michael Volkwein wurde laut SZ-Informationen zur Zahlung von 15 000 Euro für die mutmaßlich unerlaubte Fällung der Bäume aufgefordert. Dagegen hat er aber Widerspruch eingelegt.
Jetzt liegt es am Amtsgericht Tettnang zu entscheiden, ob die Kastanien hätten gefällt werden dürfen.
Unternehmen aufgegeben
Wie das Verfahren ausgeht, ist schwer abzuschätzen. Michael Volkwein ist sich sicher, dass er das Verfahren gegen die Behörden gewinnt. Beim Landratsamt Bodenseekreis, das letztlich für eine Genehmigung oder Verhinderung der Fällarbeiten zuständig war, scheint man gespannt auf den Prozessauftakt zu blicken, hält sich aber bedeckt: „Da das Landratsamt bei dem Verfahren eine zentrale Rolle hat, werden wir parallel dazu keine öffentlichen Aussagen treffen“, teilt Sprecher Robert Schwarz mit.
Unabhängig von dem Ausgang des Gerichtsverfahrens scheint Volkwein aber für sich selbst Lehre aus dem Geschehen gezogen zu haben. „Die Verlierer an der ganze Sache waren am Ende nur wir“, schreibt der Ailinger Mitte 2017 an das Landratsamt. Er sei öffentlich an den Pranger gestellt worden und bis heute leide der Ruf seiner Firma unter den Ereignissen. „Wir wurden beleidigt und haben unverschämte Anrufe erhalten“, schreibt er. Deshalb will er sein Unternehmen auflösen.