Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Durchsichtige Strategie
Auch B-Probe des russischen Curlers Kruschelnizki positiv – Sportminister dennoch: „Ein Fehler“
PYEONGCHANG (SID/dpa) - Russland ist im Doping-Fall des Curlers Alexander Kruschelnizki mit einer recht durchsichtigen Strategie in die Offensive gegangen. Das russische Nationale Olympische Komitee ROC bestätigte am Dienstag eine positive B-Probe Kruschelnizkis, der im Mixed-Wettbewerb Bronze gewonnen hatte, auf das verbotene Herzmedikament Meldonium – und will trotzdem den Kopf aus der Schlinge ziehen. Das Ziel bleibt, als stolze russische Nation an der Schlussfeier der Winterspiele von Pyeongchang teilzunehmen.
War es ein Teamrivale?
„Wir bedauern den Vorfall sehr“, schrieb das ROC in seiner Stellungnahme, bevor es gleich eine ganze Reihe vermeintlich entlastender Argumente vorbrachte. Die Meldonium-Konzentration bei dem Bronzemedaillen-Gewinner von Pyeongchang sei „absolut bedeutungslos für jedweden Effekt auf den menschlichen Körper“gewesen, hieß es. Zudem seien Kruschelnizkis vorangehende Tests negativ gewesen.
Daraus schloss das ROC, dass die Einnahme „unwissentlich und nicht systematisch“erfolgt sei. Man habe keine Erklärung dafür, wie die Substanz in den Körper des Athleten gelangt sein könnte, schrieb das derzeit wegen des russichen Staatsdopingsystems rund um die Winterspiele 2014 in Sotschi vom IOC suspendierte NOK und kündigte eine „umfassende strafrechtliche Untersuchung der Umstände des Vorfalls„ an. Kruschelnizki selbst hatte gemutmaßt, dass ihm ein Teamrivale im Trainingslager Meldonium ins Getränk geschüttet hat.
Gleichzeitig griffen die Russen auf das Wiedereingliederungsverfahren des IOC vor und stellten sich als unbescholtene Sportnation dar, ohne eine Schuld im Staatsdopingskandal einzugestehen. „Wir möchten betonen, dass in Russland in den letzten Jahren in enger Zusammenarbeit mit der WADA und dem IOC große Anstrengungen zur Bildung eines grundsätzlich neuen Anti-Doping-Systems unternommen wurden“, hieß es: „Unsere Athleten bestehen regelmäßig und häufiger als andere die Dopingtests.“
Zudem legte das ROC dem IOC eine mögliche Begründung für eine Begnadigung noch vor der Schlussfeier auf den Präsentierteller. „Gleichzeitig sind positive Tests, wie bei dem aktuellen Vorfalls, rein individuell“, schrieb das ROC.
Auch Kruschelnizki selbst meldete sich am Dienstag in einer auf der Homepage des Curling-Verbandes veröffentlichten Mitteilung noch mal zu Wort. Der positive Test sei ein „Schock“gewesen, er habe niemals in seiner Karriere verbotene Substanzen genommen. Sportminister Pawel Kolobkow begleitete die Stellungnahme mit der auch schon seit Jahrzehnten gerne verwendeten Aussage, Doping ergebe im Curling ohnehin keinen Sinn. Der Agentur Interfax sagte er zudem: „Das ist zweifellos ein Fehler.“Man müsse nun herausfinden, wer die Schuld dafür trage. Kruschelnizki habe sicherlich nicht absichtlich die illegale Substanz Meldonium eingenommen.
Nach Angaben des russischen Curling-Verbands geht es Kruschelnizki seit Bekanntwerden der Vorwürfe sehr schlecht. „Er ist in einer Situation, die man nicht einmal seinem Feind wünscht“, sagte Verbandschef Dmitri Swischtschow. Der Verband stehe hinter dem Athleten.