Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Elf Jahre nach dem „Zementmord“könnte der letzte Haupttäter freikommen
Staatsanwaltschaft hält den Mörder des Stuttgarter Gymnasiasten Yvan Schneider aber für gefährlich und will ihn wegschließen – Die Abschiebung ist schon beschlossen
STUTTGART (dpa) - Die brutale Tat schockiert im August 2007 das ganze Land: Drei Jugendliche locken den Gymnasiasten Yvan Schneider auf eine Wiese bei Stuttgart, erschlagen ihn, zerstückeln seine Leiche, betonieren 14 Einzelteile in Blumenkübeln ein und versenken diese im Neckar. Die Tat geht als „Zementmord“in die Kriminalgeschichte ein. Rund zehneinhalb Jahre später verhandelt das Landgericht über die Freilassung des letzten Täters. Die Staatsanwaltschaft hält den heute 29Jährigen nach wie vor für gefährlich und will ihn nach Verbüßen seiner Jugendstrafe in Sicherungsverwahrung wegschließen lassen. Seine Abschiebung in die Türkei, die Heimat seines Vaters, ist schon beschlossen.
Am Montag im Saal 6 des Landgerichts will sich Deniz E. nicht äußern. Das gilt auch für die nächsten Verhandlungstage, wie eine seiner Anwältinnen bestätigt. Bei einer Vernehmung im November soll Deniz E. dem Gericht zufolge gesagt haben, dass er – wie seine Mittäter auch – eine zweite Chance verdient habe. Er wisse, was er damals getan habe, und dass das falsch gewesen sei. Das neue Verfahren gegen ihn halte er aber für eine „Frechheit“, weil er damit zweimal wegen derselben Tat bestraft werden solle. Zudem drohe ihm die Abschiebung in ein Land, dessen Sprache er nicht spreche.
Zweieinhalb Stunden lang werden am Montag Akten verlesen. Beschlüsse, Auszüge aus Urteilen, Protokolle von Vernehmungen. Sieben Prozesstage soll es geben, vier Zeugen gehört werden. Entscheidend werden aber die Gutachten von zwei Sachverständigen sein. Wie schätzen sie die Gefahr ein, die nach zehn Jahren Haft von dem 29-Jährigen ausgeht? Die Staatsanwaltschaft meint, eine Aufarbeitung der Tat sei in der Haft nicht gelungen. Eine psychische Störung mache den Mann zu einer Gefahr, neue schwere Gewalttaten seien nicht auszuschließen.
Fest steht derweil, dass der Mann nach seiner Freilassung in die Türkei abgeschoben wird, wo er mindestens zehn Jahre zu bleiben hat. Seine Komplizen von damals sind alle wieder frei: sowohl der damals 18 Jahre alte Mittäter, der ebenfalls mit zehn Jahren Haft bestraft wurde, als auch eine damals 17-Jährige und ein 23-Jähriger, die 2008 zu neun und drei Jahren verurteilt worden waren.
Als Motiv für die Bluttat gilt Eifersucht: Yvan Schneider wurde von einer 17-Jährigen auf eine abgelegene Obstwiese nahe Kernen (RemsMurr-Kreis) gelockt. Sie hatte ihrem eifersüchtigen Freund von einem angeblichen intimen Verhältnis mit Yvan erzählt. Dieser habe sie entjungfert. Die beiden jungen Männer töteten den Gymnasiasten mit einem Baseballschläger und Fußtritten vor den Augen des Mädchens.
Der 29-Jährige ist nach Ablauf der Jugendstrafe im Sommer 2017 in eine geschlossene Psychiatrie verlegt worden. Allerdings wehrt er sich in einem anderen Verfahren in Karlsruhe dagegen. Nachdem das Landgericht Karlsruhe keine Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit mehr sah und die Unterbringung in der Psychiatrie nach der Haft für erledigt erklärt hatte, beschwerte sich Stuttgart. Das Oberlandesgericht Karlsruhe kassierte daraufhin die Entscheidung zur Freilassung und lässt das Landgericht Karlsruhe neu entscheiden. Dabei werden die Richter auch die zwei Gutachten berücksichtigen, die nun für das Stuttgarter Verfahren zugelassen wurden.
Nach Angaben des Landgerichts Karlsruhe hat der 29-Jährige für das Gutachten zur Unterbringung nicht kooperiert, dem Landgericht Stuttgart zufolge für die Gutachten zur nachträglichen Sicherungsverwahrung dann aber doch. Der Prozess wird am 8. März fortgesetzt.