Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hetze im Netz: Parteien einigen sich
Ehrenrührige Einträge werden entfernt – Klage auf Schmerzensgeld zurückgenommen
RIEDLINGEN/RAVENSBURG - Ein jahrelanger Streit scheint nun am Landgericht Ravensburg zu Ende gegangen zu sein. Das Amtsgericht Riedlingen hatte im September 2017 in einem sich über Monate hinziehenden Zivilprozess einen Blogger aus dem Raum Riedlingen zu 3000 Euro Schmerzensgeld verurteilt sowie zu der Löschung von ehrenrührigen Einträgen in einem Internetblog mit Beschimpfungen und falschen Behauptungen (wir berichteten). Kläger war der für die Asylbewerberhilfe in Ravensburg und Weingarten tätige Adi Brugger. Gegen das Urteil hatte der Blogger Berufung eingelegt. Diese wurde vor der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ravensburg verhandelt.
In der Verhandlung einigten sich beide Parteien darauf zum einen, die Klage auf Schmerzensgeld zurückzuziehen, und zum anderen, die weitergehende Berufung zurückzunehmen. Damit sind unter anderem die Unterlassungsansprüche aus dem Urteil der 1. Instanz anerkannt und der Blogbetreiber entfernt die Passagen, die eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers betreffen.
Streitpunkt „Pisse-Streu“
„Sie haben ein schlechtes Verhältnis zueinander“, mit diesen Worten begann die Vorsitzende Richterin die Berufungsverhandlung. In aller Ausführlichkeit legte sie dann den beiden Parteien dar, warum die Kammer die Unterlassungsansprüche aus der ersten Instanz als gegeben ansieht.
So sei es nicht zulässig, dass ohne Zustimmung des Klägers Auszüge aus seinen Briefen veröffentlicht wurden. Hier sei eine Prangerwirkung beabsichtigt gewesen und damit das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzt worden. Auch die Veröffentlichung eines Gerichtsbeschlusses, bei dem es um einen Mieterhöhungsstreit ging, wurde vom Blogbetreiber falsch dargestellt. Dann kam die Geschichte mit dem „Pisse-Streu“zur Sprache. Im Blogeintrag wurde behauptet, Brugger habe das „Pisse-Streu“seiner Schlangen im Backofen verbrannt. Dabei hat Brugger auf seiner Facebook-Seite geschrieben, er habe lediglich das zuvor gereinigte Terrarienstreu im Ofen getrocknet. Dazu merkte die Richterin an, dass die Blogdarstellung nicht sachlich war und zudem verzerrt wiedergegeben wurde. Die Wertung des Gerichts: Nicht die Mitteilung stand im Vordergrund, sondern das Diffamierende.
Im Weiteren ging es um die Verwendung von Wörtern im Blog. „Assi“bewertet das Gericht als Schmähkritik. Bei „Rassist“komme es auf den Kontext an. Auch hier seien Äußerungen verfälscht worden. So wurde zum Wort „Pack“, das der Kläger bei einer Auseinandersetzung mit seinen Nachbarn verwendet hatte, noch „albanisches“hinzugefügt. Dann ging es noch um die Veröffentlichung einer „Antifa-Liste“, auf der sich der Kläger wiederfand. Dabei handele sich es um die Vermittlung des Eindrucks, Brugger sei Mitglied einer kriminellen Vereinigung und gehöre der Antifa-Bewegung an. Das sei ehrenrührig.
Mit der Bemerkung „Hü und Hott in dieser Sache heißt nicht, dass der eine recht hat und der andere unrecht“, bezog die Richterin zum Punkt Schmerzensgeld Stellung. Von der Voraussetzung, dass eine schwere Persönlichkeitsverletzung gegeben sei, gehe das Gericht nicht aus. Der Kläger müsse durchaus berücksichtigen, wie er sich selbst verhält. Eine Bejahung hätte eine fehlerhafte Signalwirkung und sei nur in Ausnahmefällen möglich.
Zu den Bewertungen des Gerichts gab es nur eine ganz kurze Diskussion, dann stimmten beide Parteien zu. Der Schmerzensgeldantrag wird zurückgenommen, ebenso die weitergehende Berufung; die ehrenrührigen Einträge werden entfernt.
Die Kosten des Rechtsstreits aus der ersten und zweiten Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Damit wurde das Ziel der Kammer erreicht, das hieß: „Wir werden den Fall so lösen, dass es für beide Seiten zu Ende geht.“