Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Scholz beharrt auf G20-Vereinbarung von Hamburg
Neuer Bundesfinanzminister warnt beim Treffen der Finanzelite vor Abschottung
BUENOS AIRES (dpa) - 15 Stunden hin, 15 Stunden zurück, 36 Stunden Abtasten beim Treffen der G20-Finanzminister und Notenbankchefs – Olaf Scholz hat als neuer Bundesfinanzminister dicke Bretter zu bohren. Der Handelsstreit schwebte als Schatten über Buenos Aires. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) beharrte nach der Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Strafzölle auf Stahl und Aluminium zu verhängen, auf der Erklärung des letzten G20Gipfels in Hamburg. Darin heißt es, man bekämpfe „Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken“.
Handel ist eigentlich gar nicht das Thema der Finanzelite, die in dem weitläufigen Konferenzzentrum versammelt ist, aber man fürchtet eine Kettenreaktion, mit Folgen für Wohlstand und Arbeitsplätze weltweit. Argentinien hat Ende 2017 von Deutschland die G20-Präsidentschaft übernommen – und besonders die Europäer sind in einem Dilemma, ob sie sich an die Seite Chinas stellen sollen und der Westen sich spaltet. Zur Wahrheit gehört auch, dass beim Stahl die hohen Überkapazitäten wegen einer Stahlschwemme aus China ein Problem sind – da so weltweit die Preise gedrückt werden. In Buenos Aires steht es aber dennoch quasi 19:1 gegen die USA, deren Finanzminister Steven Mnuchin da ist.
Scholz pocht auf freien und fairen Handel. „Das ist die Sprache von Hamburg“, sagte er bei einer Pressekonferenz mit seinem argentinischen Amtskollegen Nicolás Dujovne. Das bezieht er auf die Beschlüsse des letzten G20-Gipfels der Staats- und Regierungschefs im Juli 2017. In der Hamburger Erklärung heißt es: „Wir werden die Märkte in dem Bewusstsein offenhalten, wie wichtig auf Gegenseitigkeit beruhende und für alle Seiten vorteilhafte Handels- und Investitionsrahmen sind; werden Protektionismus einschließlich aller unfairen Handelspraktiken weiterhin bekämpfen und erkennen die Rolle rechtmäßiger Handelsschutzinstrumente an.“Die USA argumentieren, wegen der Stahlkrise sei ein Schutzinstrument dringend geboten.
Streit um Digitalkonzerne
Für Scholz ist Protektionismus, die Abschottung eine Erfindung des 19. Jahrhunderts: „Alleine können wir die Welt nicht bestimmen.“22 Minister, 17 Zentralbankchefs und zehn Chefs internationaler Organisationen nehmen an dem bis Dienstag dauernden Treffen teil, auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde. Die macht klar: „Bei Handelskriegen gibt es keine Gewinner.“Die EU und der südamerikanische Wirtschaftsbund Mercosur wollen ungeachtet der jüngsten Entwicklungen weiter an einer Freihandelszone arbeiten und den Warenaustausch für mehr als 800 Millionen Menschen stärken.
Umstritten auf der G20-Ebene war in Buenos Aires auch ein EU-Vorstoß für eine stärkere Besteuerung von Digitalkonzernen. Mit Blick auf deren hohe Gewinne erwägt die EU-Kommission, drei Prozent Umsatzsteuer von den Konzernen in Europa zu erheben. Mit dem Vorschlag soll das Problem behoben werden, dass Konzerne wie Google und Facebook in den meisten EU-Ländern keine versteuerbaren Firmensitze haben. Sie haben aber in praktisch allen Ländern eine Wertschöpfung – durch die Nutzung ihrer Dienste und Geschäfte mit den Daten der Bürger.
Die Gewinne werden grenzüberschreitend im Netz erzeugt – anders als bei Industrieunternehmen mit Fabriken in einem bestimmten Land, gibt es kaum Möglichkeiten, diese zu besteuern. Brasiliens Finanzminister Meirelles sagte, es gebe unterschiedliche Vorstellungen. „Die Debatte ist erst am Anfang.“Auch Scholz sprach von hochkomplexen steuerrechtlichen Fragen.
Schnelle Fortschritte waren nicht zu erwarten, ebenso bei der Frage nach einer Regulierung von Digitalwährungen wie Bitcoin. Diese werden in komplizierten Rechen-Prozessen erzeugt und kommen bei Zahlungen im Internet zum Einsatz. Aber das kann auch für Geldwäsche und Terrorfinanzierung genutzt werden.