Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wiederkäuen im Dienste des Recyclings
In der globalen Bedrohungslage die Umwelt betreffend, spielt der Kaugummi in der westlichen Zivilisation eine wichtige Rolle. In der fernöstlichen vielleicht noch mehr. Denn es ist Singapur, das bei Strafe verbietet, Kaugummi zu kauen. Erlaubt ist es im Stadtstaat ausschließlich aus medizinischen Gründen und auf Rezept. Vor Einführung dieser rigiden Regelung hat es im Staate Singapur verheerend ausgesehen: Menschen, die wie Insekten in Venusfliegenfallen, auf dem Asphalt festklebten. Verzweifelte Kohorten von Stadtreinigern, die mit Dampfstrahlern gegen die klebrige Kaumasse vorgingen und doch kapitulieren mussten, weil selbst die festgeklebten Menschlein noch während ihrer verzweifelten Hilferufe Kaugummi kauten und ausspieen.
Anstatt eines Verbots, geht man in England jetzt einen völlig anderen Weg, nämlich den des Recyclings. Die junge Designerin Anna Bullus verwertet die Kaugummis wieder. Und zwar hat sie ein Verfahren entwickelt, das den Kaugummi am Ende in ein dem Plastik nicht unähnliches Material verwandelt. Aus dem vielfach wiedergekäuten Zeug entsteht dann nicht wieder Kaugummi, sondern zum Beispiel Kunstwerke oder alles Mögliche, was sich im Spritzgussverfahren herstellen lässt. Damit Frau Bullus auch genügend Rohmaterial zusammenbekommt, stellt sie bunte Sammelbehälter in den Städten auf, in die das wertvolle Rohmaterial geworfen werden kann.
Die Kaugummi-Industrie zieht schon fast Fäden vor lauter Freude. Die Firma Wrigley hat der Designerin bereits unter die Arme gegriffen. Mit Geld, nicht mit Kaugummi. Wie der Stadtstaat Singapur auf diese guten Nachrichten aus dem fernen England reagiert, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich bleibt aber alles beim Alten. Denn der Asiate möchte das leidige Thema nicht noch mal von vorne durchkauen. (nyf)