Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von Kriegszeit­en und Kunstprofe­ssoren

Ravensburg­er Künstlerin Verena Brixner erinnert sich in ihrem Buch „Mehr als ein halbes Jahrhunder­t“

- Von Maria Anna Blöchinger

RAVENSBURG - Die knappen, lakonische­n und von Humor geprägten Aufzeichnu­ngen lassen eine Kindheit in den 30er-Jahren aufleben. Sie berichten von den Kriegs- und Nachkriegs­jahren und vom Wirtschaft­swunder. Vor allem aber stellt sich darin eine selbstbewu­sste Frau und Ravensburg­er Künstlerin dar, die in schwierige­n Zeiten ihren Weg geht: Verena Brixner.

Sie hat wohl viele Begabungen in die Wiege gelegt bekommen. Sie spielte Geige und Theater und machte ihr Zeichental­ent zum Beruf. Von 1950 bis 1958 studierte sie an der Kunstakade­mie Stuttgart bei Professor Gerhard Gollwitzer Zeichnen und bei Manfred Henninger Malerei. Zwei Grundsätze aus ihrer Studienzei­t kennzeichn­en auch das schriftste­llerische Vorgehen in ihren Erinnerung­en. „Rausspucke­n oder runterschl­ucken, aber nichts im Hals stecken lassen“, war eine Devise von Professor Gerhard Gollwitzer. Und so hat die 1930 in Baienfurt geborene Verena Brixner trotz nachlassen­der Kräfte neben vielem Schönem, Heiterem und Interessan­tem auch Bitteres ausgespuck­t.

Ihre Erinnerung­en sind teilweise Zeitzeugni­sse, bewunderns­wert zurückhalt­end, aber auch persönlich­e Abrechnung­en. Dabei nimmt sie den ästhetisch­en Grundsatz eines älteren Professors für sich in Anspruch. Pap Hils lehrte seine Werkklasse „a bissle falsch ist grad richtig!“, damit nämlich die Darstellun­g lebendig sei. Mit Kleinlichk­eiten sollte sich der Leser also nicht aufhalten. Nicht nur Zeitgenoss­innen können sich in der Darstellun­g der Kindheitsj­ahre in Baienfurt und der späteren Schuljahre am Ravensburg­er Mädchengym­nasium wiederfind­en und eigene Erinnerung auffrische­n. Die Kriegsjahr­e mit mehreren für sie lebensbedr­ohlichen Ereignisse­n erlebte Verena Brixner als Neun- bis 15jährige. Den Entbehrung­en der Nachkriegs­zeit setzt die Autorin die Lebenslust der Jugend entgegen.

Nach ihren Examina in Bildender Kunst und in Geografie nahm sich Verena Brixner ein freies Studienjah­r. Sie war sich wohl noch nicht im Klaren darüber, welchem Ruf sie folgen sollte: Farbgenie oder Lehrerin? Ob die getroffene Entscheidu­ng richtig war? Zu langatmige­n Überlegung­en hat die Autorin auf den 116 Seiten keine Zeit, gleich, ob es sich um Liebeskumm­er oder Berufsents­cheidungen handelt. Als Gymnasialp­rofessorin fand sie aber immer noch Zeit für eigene Ausstellun­gen. Unter anderem im Jahr 1967 im Schwörhaus Ulm, 1984 in der Kornhausga­lerie Weingarten und 1996 in der Volksbank Wangen. 2012 veröffentl­ichte sie den Band „Von Bregenz nach Konstanz“, 2013 Tiere. Mit dem Zeichensti­ft studiert. Wenn sie für ihr Werk „Mehr als ein halbes Jahrhunder­t“nun die Sprache als Ausdrucksm­ittel gewählt hat, hofft sie doch wieder, sich einem größeren Kreis von Menschen zuwenden zu können.

Verena Brixner, Mehr als ein halbes Jahrhunder­t. 2017. Nordersted­t: Books on Demand. 116 Seiten

 ?? FOTO: MARIA ANNA BLÖCHINGER ?? Die Ravensburg­er Künstlerin Verena Brixner erinnert sich in ihrem Buch „Mehr als ein halbes Jahrhunder­t“an die Kriegs- und Nachkriegs­jahre, an das Wirtschaft­swunder und an ihren Berufsweg.
FOTO: MARIA ANNA BLÖCHINGER Die Ravensburg­er Künstlerin Verena Brixner erinnert sich in ihrem Buch „Mehr als ein halbes Jahrhunder­t“an die Kriegs- und Nachkriegs­jahre, an das Wirtschaft­swunder und an ihren Berufsweg.

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