Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Keine Studentenrevolte trotz des Mensa-Essens
Fünfzig Jahre ist es jetzt her, dass die 68er – die inzwischen naturgemäß Alt-68er heißen – die brave Nachkriegsrepublik auf den Kopf gestellt haben. Teil dieser Veranstaltung war selbstredend die Studentenbewegung, die damals als höchst revolutionär galt. Alles Bürgerliche lehnten die 68er ab. Folgerichtig auch die gutbürgerliche Küche, wie anzunehmen ist. In den berühmten Wohngemeinschaften lautete oft genug die Parole: „Das bisschen, was wir essen, können wir auch trinken oder besser noch rauchen.“Jedenfalls sind die 68er nicht eben durch kulinarischen Feinsinn aufgefallen. Das hat sich mit den Jahrzehnten deutlich gewandelt – wie man an den Bauchumfängen der Herren Joschka Fischer oder Gerhard Schröder unschwer erkennen kann. Beide sind nach eigenem Bekunden schweren französischen Rotweinen verfallen. Und der Student von heute? Dem wird eine gewisse Biederkeit nachgesagt. Die erste Generation, die spießiger sei als ihre Eltern, heißt es. Nix mehr mit Revolution. Der Student von 2018 fühle sich schon wie Rudi Dutschke, wenn er trotz Laktoseintoleranz todesmutig einen Cappuccino bestelle, heißt es.
Fern aller Klischees muss ein Student – wie auch 1968 schon – Nahrung zu sich nehmen. Das geschieht bevorzugt in der Mensa. Eine solche gibt es auch in Ravensburg. Sie gehört zur Dualen Hochschule BadenWürttemberg (DHBW) und befindet sich am Marienplatz. Sie ist – obwohl für die Studenten gedacht – auch für Gastesser nutzbar. Die Inneneinrichtung ist mit ihrer sanften Beleuchtung und den dunkel überzogenen Bänken hochmodern. Geradezu futuristisch wirken die Separees, in denen jeweils acht Studenten abgeschirmt ihre Mahlzeit einnehmen können. Vorne am Tresen bedient eine eingeschränkt motiviert wirkende Dame die Gäste. Oder anders gesagt: Sie klatscht das Essen auf die Teller, dessen Ästhetik doch deutlich zu wünschen übriglässt. Wenn es wirklich stimmt, dass das Auge mitisst, dann muss es angesichts der Cannelloni jämmerlich verhungern: Die Teigrollen, angeblich mit Ricotta und Spinat gefüllt – liegen wie gestrandet auf dem Teller. Gezogen aus einem glitschigen Meer aus orangefarbener Tomatensoße. Die Füllung kann bei geschlossenen Augen keinerlei Hinweise auf den genannten Käse und das Gemüse liefern. Der viel zu dicke Nudelteig kaut sich unangenehm.
Der Karottensalat schmeckt immerhin besser als er aussieht. Wobei das bei der leicht geronnenen Salatsoße auch keine große Kunst ist. Offenbar möchte man die Studierenden nicht durch zu viel anregende Komplexität in Sachen Geschmack vom Lernen ablenken. Mit solch eindimensionalem Essen gelingt das ausgezeichnet. Die Alternative, ein Chili con Carne, wirkt gegen die Cannelloni fast schon schmackhaft, wobei die merkwürdigen Fleischklumpen in der Sauce Fragen aufwerfen. Insgesamt bleibt der Eintopf unauffällig, was das Netteste ist, was man über ihn sagen kann.
Dennoch: Niemand begehrt auf. Die berechtigte Studentenrevolte bleibt aus. Immerhin: mit 3,20 Euro beziehungsweise 3,40 Euro ist das Essen wenigstens billig. Gäste zahlen 5,70 Euro, was nicht eben viel ist – in Anbetracht der gebotenen Speisen aber noch mehr als genug.
DHBW Mensa Ravensburg Marienplatz 2
88212 Ravensburg www.seezeit.com/essen/ speiseplaene/mensa-ravensburg Mittagessen während der Semester von 11.30 bis 13.30 Uhr, Hauptgerichte 5,70 für Gäste, 4 Euro für Mitarbeiter und Schüler.
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