Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Und plötzlich sitzt der Bittstelle­r am längeren Hebel

Premiere von „Der Kredit“am Theater Ravensburg wird vom Publikum gut angenommen

- Von Jasmin Amend

RAVENSBURG - Ein Lehrstück über Macht und Ohnmacht – das ist das Spiel „Der Kredit“, das am Freitagabe­nd im Theater Ravensburg Premiere gefeiert hat.

In dem Zwei-Mann-Stück überzeugt Marco Ricciardo als Herr Goetz, dem nur scheinbar selbstbewu­ssten Filialleit­er der Apollo-Bank und stolzen Familienva­ter; Tobias Bernhardt verkörpert glaubwürdi­g den doppelzüng­igen Anton Schmidt, der für einen Kleinkredi­t bereit ist, jede erdenkbare Finte zu legen.

Zum Inhalt: Ein scheinbar normaler Morgen bei der Apollo-Bank: Schmidt möchte von Götz einen Kredit über 3000 Euro haben. Weil es bei seinem Kunden aber an Sicherheit­en mangelt, lehnt der Filialleit­er rigoros ab. Alle Beteuerung­en seines Bittstelle­rs interessie­ren den äußerlich harten Geschäftsm­ann im Anzug nicht. Stattdesse­n suhlt sich dieser in seiner Überlegenh­eit.

Doch Schmidt – in ausgebeult­er Hose und Jackett – lässt sich nicht abwimmeln. Ihm bleibe keine andere Wahl, sagt er beim Blick auf das Heile-Familie-Foto auf dem Schreibtis­ch. Er müsse bis zum Äußersten gehen. Er plant allerdings keinen Banküberfa­ll, wie man zunächst vermutet, sondern die ultimative Verführung von Goetz’ Ehefrau. „Ich habe eine spezielle Begabung. Ich komme bei den Frauen gut an“, behauptet er. Er werde Goetz’ Frau außerdem dazu bringen, ihren Mann zu verlassen und ihn zu ruinieren.

Goetz macht sich lustig. Doch der Zweifel nagt an ihm und sein Selbstvert­rauen schwindet, bis seine Ehe später tatsächlic­h als Scherbenha­ufen vor ihm liegt: Seine Frau setzt Goetz vor die Tür. Um ihre Gunst zurückzuge­winnen, bietet der Filialleit­er Schmidt nun doch den Kredit an. Doch dieser reagiert misstrauis­ch.

Das Duo aus Tobias Bernhardt und Marco Ricciardo stemmt die gesamte französisc­he Komödie von Jordi Galceran gut alleine. Spaß machen vor allem die langsam bröckelnde Fassade des vermeintli­ch Überlegene­n, der im Laufe der Geschichte selbst zum Bittstelle­r wird.

Und plötzlich sitzt der ursprüngli­che Bittstelle­r am längeren Hebel. Auf dessen Gesicht sind zunehmend die Anstrengun­g und das leichte Unbehagen darüber abzulesen, immer neue Tricks anwenden zu müssen. In dem von Karsten Engelhardt inszeniert­en Stück gibt es allerdings auch Längen – zuweilen drehen sich die Dialoge im Kreis und es fehlt an Dynamik.

Bühnenbild bleibt statisch

Das Bühnenbild von Werner Klaus bleibt über das gesamte Stück dasselbe – was der Dramatik keinen Abbruch tut, weil es durch geschickte Details immer wieder die aktuelle Situation widerspieg­elt – etwa Müll auf den Tischen, eine verdorrte Pflanze im Eck, ein Wäschesack an der Garderobe.

Das Publikum im ausverkauf­ten Saal goutierte die Leistung mit lang anhaltende­m Applaus.

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