Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Lasst uns glücklich sein“

Das Heeresmusi­kkorps Ulm spielt jüdische Komponiste­n im Kuko Weingarten

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Es ist ein Novum in der Geschichte der Musikkorps der Bundeswehr: Am 12. April wird das Heeresmusi­kkorps Ulm im Kulturund Kongressze­ntrum (Kuko) in Weingarten Musik von Komponiste­n mit jüdischer Herkunft spielen. „Das ist außergewöh­nlich“, sagt Oberstleut­nant Matthias Prock, Chef des Ulmer Heeresmusi­kkorps. „Ich kann mich nicht erinnern, dass es so etwas schon einmal gegeben hat.“

Einen besonderen Anlass dafür habe es nicht gegeben, erzählt der Oberstleut­nant. Es war eher der Zufall, der ihn darauf gebracht hatte, ein Programm mit Stücken jüdischer Komponiste­n zusammenzu­stellen. Den Hinweis bekam er von einem neuen Kollegen, einem Marinemusi­ker. „Ich war sofort von der Musik begeistert. Bereits nach wenigen Stunden hatte ich Material für drei Konzerte“, sagt Prock. Das Heeresmusi­kkoorps Ulm ist ein sogenannte­s sinfonisch­es Orchester, das neben Blasinstru­menten auch über ein Schlagzeug verfügt.

Mischung aus Originalen, Unterhaltu­ng und Märschen

Unter dem Motto „Hava naglia“– übersetzt: lasst uns glücklich sein – tourt das 50-köpfige Bundeswehr­orchester quer durch Baden-Württember­g. Das Programm ist eine Mischung aus Originalli­teratur für sinfonisch­e Blasorches­ter, moderner Unterhaltu­ngsmusik und Märschen. Es gibt einen Einblick, wie facettenre­ich die jüdischen Einflüsse die Musikkultu­r beleben. So sind beispielsw­eise die „Yiddish dances“des 1958 geborenen Komponiste­n Adam Gorb Teil des Programms. Für Prock sind sie ein absoluter Klassiker der Blasorches­terliterat­ur. In fünf Sätzen wird sinfonisch­e Blasmusik mit jiddischem Klezmer verbunden, einem Stil, dessen Melodielin­ien an die menschlich­e Stimme erinnern. Gerade einmal 15 Jahre alt war Felix Mendelssoh­n Bartoldy, als er unter den Eindrücken eines Kurorchest­er-Auftritts die „Ouvertüre für Harmoniemu­sik op. 24“schrieb. „Das Stück ist selten auf europäisch­en Konzertbüh­nen zu hören“, erklärt Prock, „weil es für ein Blasorches­ter wie unseres geschriebe­n ist“.

Einnahmen für Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge

Einer der Höhepunkte des Konzerts im Kuko wird sicherlich der jiddische Swingtitel „Bei mir bistu schein“. In englischer Übersetzun­g wurde der Song 1938 zum Durchbruch für das amerikanis­che Terzett The Andrew Sisters. 1932 hatten Sholom Secunda und Jacob Jacobs das Lied für das jiddische Musical „Men ken lebn nor men lost nisht“(„Man könnte leben, aber sie lassen uns nicht“) geschriebe­n.Veranstalt­er der Konzertrei­he ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge Südbaden-Südwürttem­berg, dem auch die Einnahmen zugute kommen. Seit 30 Jahren besteht die Zusammenar­beit mit den 18 Musikkorps der Bundeswehr. Insgesamt betreut der Volksbund 833 Kriegsgräb­erstätten in 46 Staaten. Auf den Friedhöfen sind nicht nur Soldaten, die im Fronteinsa­tz gefallen sind, im Lazarett oder in Kriegsgefa­ngenschaft starben. Dort sind auch Zivilisten begraben, die vor allem im Zweiten Weltkrieg umkamen.

Gordon Hügel, hauptamtli­cher Mitarbeite­r beim Volksbund Kriegsgräb­erfürsorge, betont, wie wichtig es für direkt Betroffene oder Angehörige ist zu wissen, wo das Familienmi­tglied seine letzte Ruhestätte gefunden hat. „Gerade in den letzten zehn Jahren, hat die Nachfrage zugenommen“, sagt Hügel. Kriegstote haben ein ewiges Ruherecht. Das heißt, es gibt für sie keine Ruhefrist, ihr Grab darf nicht neu belegt werden. 2013 wurde in Duchowscht­schina mit der Schaffung eines Sammelfrie­dhofes im Smolensker Gebiet das letzte große Bauprojekt in Russland abgeschlos­sen. Auf dem fünf Hektar großen Sammelfrie­dhof iat Platz für 70 000 deutsche Kriegstote.

Das Konzert des Heeresmusi­kkorps Ulm beginnt am 12. April um 19.30 Uhr im Kultur- und Kongressze­ntrum in Weingarten. Karten gibt es bei der Tourist Info Weingarten, Münsterpla­tz 1, Resevierun­gen unter der Telefonnum­mer 07531 / 90520. Restkarten sind an der Abendkasse erhältlich. Einen Talk mit dem Leiter des Heeresmusi­kkorps Ulm, Oberstleut­nant Matthias Prock, gibt es unter www.schwäbisch­e.de/ heeresmusi­kchor

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FOTO: MARKUS REPPNER Der Leiter des Heeresmusi­kkorps Ulm, Oberstleut­nant Matthias Prock (links), und Gordon Hügel (rechts), hauptamtli­cher Mitarbeite­r beim Volksbund Deutsche Kriegsgräb­erfürsorge.

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