Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Nach 27 Jahren kommt Gebührenbescheid
Äpfinger muss Geld für Wintergarten nachzahlen – Kein Einzelfall
ÄPFINGEN - Mit dieser Post hat Guido Ott aus Äpfingen nicht gerechnet: 27 Jahre nach dem Anbau eines Wintergartens hat er eine Rechnung vom Vermessungsamt Biberach erhalten. „Lachhaft“, nennt der 51-Jährige das. Doch das Landratsamt Biberach stellt klar: Die Forderung ist rechtens. Und: Die späten Nachzahlungen könnten auch auf andere Eigentümer zukommen, denn der Teufel steckt im Detail.
Die Sache mit dem Wintergarten kann sich Guido Ott nicht erklären. Umso besser aber das Verhalten der Beamten. Da passe einfach alles ins Klischee: „Beamte sind sehr gründlich, aber Schlafkappen“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn ich so langsam arbeiten würde, hätte mich mein Chef schon längst entlassen.“
So deutlich wollte er das zu der Sachbearbeiterin vom Vermessungsamt am Telefon vor einigen Wochen nicht sagen. Ott sagte nur: „Aber gute Frau, ich habe an meinem Haus nichts angebaut.“
Rückblick: Wenige Tage zuvor hat Ott eine Rechnung erhalten vom Vermessungsamt im Landratsamt Biberach für einen Anbau ans Wohnhaus und zwei Schuppen. Gebührenbescheid Nr. 20180526; datiert auf den 26. Januar 2018, Summe: 200,20 Euro, zu überweisen innerhalb eines Monats.
Ott verstand die Welt nicht mehr. Das Haus hatte er ohne Schulden von seinem Vater geerbt, der vor zwölf Jahren gestorben ist. Hatte sein Vater damals etwas übersehen? Ott stöberte in den Akten, fand alte Rechnungen und kam schließlich auf die Spur des Wintergartens, den sein Vater angebaut hatte, als er noch ein Jugendlicher war. Rund 10 000 D-Mark hatte sein Vater damals für den Bau bezahlt. Wurde im Eifer des Gefechts übersehen, den Anbau korrekt anzumelden? „Entweder hat es mein Vater nicht gewusst oder vergessen“, sagt Ott, „keine Ahnung, ich kann ihn nicht mehr fragen“.
Beim Landratsamt (LRA) Biberach stellt man auf Nachfrage der SZ klar: Der Wintergartenanbau sei damals vor 27 Jahren nicht angemeldet worden, ebensowenig wie der Bau der beiden Schuppen, doch die lägen unter dem Mindestwert von 8000 Euro. Nicht aber der Wintergarten. Damit sei die Forderung des Vermessungsamts rechtens. Und Landratsamtssprecher Bernd Schwarzendorfer will das Vorurteil der lahmen Beamten ausdrücklich widerlegen: Das Vermessungsamt habe unmittelbar und rasch reagiert, nachdem es von dem Bau erfahren habe.
2016 hatte das Land Baden-Württemberg Luftaufnahmen anfertigen lassen, vor allem, um die topografischen Karten zu aktualisieren. Diese Aufnahmen wurden auch an die LRA-Sprecher Schwarzendorfer. Landkreise weitergeleitet. Seitdem gleichen die Beamten beim Landratsamt die Luftbilder mit den bestehenden Liegenschaftskatastern ab. „Früher sind die Vermessungsingenieure eben mit dem Auto durch die Gemeinde gefahren“, sagt Schwarzendorfer. Am Prinzip aber habe sich nichts geändert: Wo sie auf Abweichungen stoßen, wird nachgemessen.
Äpfingen ist kein Einzelfall
Genau das ist jetzt auch in Äpfingen geschehen und „hat die Gebührenpflicht ausgelöst“, sagt Sprecher Schwarzendorfer. Und Guido Ott in Äpfingen ist kein Einzellfall. Schwarzendorfer warnt: „Pro Gemeinde sind es in der Regel 20 bis 30 Fälle.“Auf den Luftbildern zeigen sich oft ganz neue Einblicke in die Gärten und Hinterhöfe.
Die Grundstücksbesitzer wurden und werden auch in Zukunft nachträglich zur Kasse gebeten, betont Schwarzendorfer. Doch der Teufel steckt im Detail: Denn für Fälle vor dem 1. Januar 1980 fallen keine Nachzahlungen an, weil die Pflicht dafür damals nicht bestand. Dasselbe gilt für Fälle in den vergangenen zehn Jahren, weil seitdem die Gemeinden spätere Bauten automatisch an das Vermessungsamt melden.
Pech aber für Guido Ott. Er hat die Rechnung inzwischen beglichen. „Wegen 200 Euro gehe ich nicht vor Gericht“, sagt er. Zumal die Aussichten für ihn gegen null gehen. Rechnung ist Rechnung. Beamte sind Beamte und Wintergarten ist Wintergarten.
Der Geldbetrag macht Guido Ott nicht arm, und dennoch schmerzt es. „Jetzt esse ich halt einen Monat bloß Nudeln“, sagt er und lacht, während er in seinem Wintergarten sitzt und auf die Nachbarhäuser schaut. „Hier ist meine Heimat, hier kennen mich alle“, sagt er. Als er einem Nachbarn seine Geschichte erzählte, hätte der geantwortet: „Um Gottes willen, hoffentlich muss ich nicht auch noch nachzahlen.“