Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Nach 27 Jahren kommt Gebührenbe­scheid

Äpfinger muss Geld für Wintergart­en nachzahlen – Kein Einzelfall

- Von Andreas Spengler

ÄPFINGEN - Mit dieser Post hat Guido Ott aus Äpfingen nicht gerechnet: 27 Jahre nach dem Anbau eines Wintergart­ens hat er eine Rechnung vom Vermessung­samt Biberach erhalten. „Lachhaft“, nennt der 51-Jährige das. Doch das Landratsam­t Biberach stellt klar: Die Forderung ist rechtens. Und: Die späten Nachzahlun­gen könnten auch auf andere Eigentümer zukommen, denn der Teufel steckt im Detail.

Die Sache mit dem Wintergart­en kann sich Guido Ott nicht erklären. Umso besser aber das Verhalten der Beamten. Da passe einfach alles ins Klischee: „Beamte sind sehr gründlich, aber Schlafkapp­en“, sagt er und fügt hinzu: „Wenn ich so langsam arbeiten würde, hätte mich mein Chef schon längst entlassen.“

So deutlich wollte er das zu der Sachbearbe­iterin vom Vermessung­samt am Telefon vor einigen Wochen nicht sagen. Ott sagte nur: „Aber gute Frau, ich habe an meinem Haus nichts angebaut.“

Rückblick: Wenige Tage zuvor hat Ott eine Rechnung erhalten vom Vermessung­samt im Landratsam­t Biberach für einen Anbau ans Wohnhaus und zwei Schuppen. Gebührenbe­scheid Nr. 20180526; datiert auf den 26. Januar 2018, Summe: 200,20 Euro, zu überweisen innerhalb eines Monats.

Ott verstand die Welt nicht mehr. Das Haus hatte er ohne Schulden von seinem Vater geerbt, der vor zwölf Jahren gestorben ist. Hatte sein Vater damals etwas übersehen? Ott stöberte in den Akten, fand alte Rechnungen und kam schließlic­h auf die Spur des Wintergart­ens, den sein Vater angebaut hatte, als er noch ein Jugendlich­er war. Rund 10 000 D-Mark hatte sein Vater damals für den Bau bezahlt. Wurde im Eifer des Gefechts übersehen, den Anbau korrekt anzumelden? „Entweder hat es mein Vater nicht gewusst oder vergessen“, sagt Ott, „keine Ahnung, ich kann ihn nicht mehr fragen“.

Beim Landratsam­t (LRA) Biberach stellt man auf Nachfrage der SZ klar: Der Wintergart­enanbau sei damals vor 27 Jahren nicht angemeldet worden, ebensoweni­g wie der Bau der beiden Schuppen, doch die lägen unter dem Mindestwer­t von 8000 Euro. Nicht aber der Wintergart­en. Damit sei die Forderung des Vermessung­samts rechtens. Und Landratsam­tssprecher Bernd Schwarzend­orfer will das Vorurteil der lahmen Beamten ausdrückli­ch widerlegen: Das Vermessung­samt habe unmittelba­r und rasch reagiert, nachdem es von dem Bau erfahren habe.

2016 hatte das Land Baden-Württember­g Luftaufnah­men anfertigen lassen, vor allem, um die topografis­chen Karten zu aktualisie­ren. Diese Aufnahmen wurden auch an die LRA-Sprecher Schwarzend­orfer. Landkreise weitergele­itet. Seitdem gleichen die Beamten beim Landratsam­t die Luftbilder mit den bestehende­n Liegenscha­ftskataste­rn ab. „Früher sind die Vermessung­singenieur­e eben mit dem Auto durch die Gemeinde gefahren“, sagt Schwarzend­orfer. Am Prinzip aber habe sich nichts geändert: Wo sie auf Abweichung­en stoßen, wird nachgemess­en.

Äpfingen ist kein Einzelfall

Genau das ist jetzt auch in Äpfingen geschehen und „hat die Gebührenpf­licht ausgelöst“, sagt Sprecher Schwarzend­orfer. Und Guido Ott in Äpfingen ist kein Einzellfal­l. Schwarzend­orfer warnt: „Pro Gemeinde sind es in der Regel 20 bis 30 Fälle.“Auf den Luftbilder­n zeigen sich oft ganz neue Einblicke in die Gärten und Hinterhöfe.

Die Grundstück­sbesitzer wurden und werden auch in Zukunft nachträgli­ch zur Kasse gebeten, betont Schwarzend­orfer. Doch der Teufel steckt im Detail: Denn für Fälle vor dem 1. Januar 1980 fallen keine Nachzahlun­gen an, weil die Pflicht dafür damals nicht bestand. Dasselbe gilt für Fälle in den vergangene­n zehn Jahren, weil seitdem die Gemeinden spätere Bauten automatisc­h an das Vermessung­samt melden.

Pech aber für Guido Ott. Er hat die Rechnung inzwischen beglichen. „Wegen 200 Euro gehe ich nicht vor Gericht“, sagt er. Zumal die Aussichten für ihn gegen null gehen. Rechnung ist Rechnung. Beamte sind Beamte und Wintergart­en ist Wintergart­en.

Der Geldbetrag macht Guido Ott nicht arm, und dennoch schmerzt es. „Jetzt esse ich halt einen Monat bloß Nudeln“, sagt er und lacht, während er in seinem Wintergart­en sitzt und auf die Nachbarhäu­ser schaut. „Hier ist meine Heimat, hier kennen mich alle“, sagt er. Als er einem Nachbarn seine Geschichte erzählte, hätte der geantworte­t: „Um Gottes willen, hoffentlic­h muss ich nicht auch noch nachzahlen.“

 ?? FOTO: SPENGLER ?? Guido Ott aus Äpfingen hat das Haus von seinem Vater geerbt, mitsamt dem Wintergart­en. Der Anbau ist 27 Jahre alt – doch jetzt hat Ott dafür vom Vermessung­samt Biberach eine Rechnung bekommen.
FOTO: SPENGLER Guido Ott aus Äpfingen hat das Haus von seinem Vater geerbt, mitsamt dem Wintergart­en. Der Anbau ist 27 Jahre alt – doch jetzt hat Ott dafür vom Vermessung­samt Biberach eine Rechnung bekommen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany