Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jugendkirche Joel hangelt sich durch heimatlose Zeit
Solange St. Jodok saniert wird, finden Gottesdienste in anderen Kirchen statt – Jugendseelsorgerin: „Gemütlicher Begegnungsraum fehlt“
RAVENSBURG (rut) - Seit dem Brand in „ihrer“Jodokskirche in der Ravensburger Innenstadt am 10. März ist die Jugendkirche Joel heimatlos. Zwar kann Jugendseelsorgerin Marie-Therese Bühler mit ihren Schützlingen nach Liebfrauen oder Christkönig ausweichen – trotzdem: Der feste Ort fehlt. Aber es gibt auch gute Nachrichten: „Wir werden in Umbau und Sanierung miteinbezogen“, so die Franziskanerin.
Eigentlich war beim Jugendgottesdienst am 11. März ein kleines Feuer im Kirchhof geplant gewesen. Thema: Ballast abwerfen und zu einem Lied der Band „Silbermond“besser mit leichtem Gepäck reisen. Doch das verheerende Feuer in der Jodokskirche am 10. März hat nicht nur das Programm der Veranstaltung gesprengt – von jetzt auf nacher gab’s auch keinen Raum mehr dafür. Man musste spontan umdisponieren und improvisieren: Statt im Gotteshaus ging der Jugendgottesdienst im Innenhof des Bürogebäudes in der Eisenbahnstraße 25 über die Bühne. Und statt um überflüssigen Ballast ging es darum, den Brand zu verarbeiten.
Wenn auch ein solches Ereignis nicht an der Tagesordnung ist: Damit, andere Wege zu gehen, ist Schwester Marie-Therese vertraut. Denn die Jugendgottesdienste, die an jedem zweiten Sonntag in Ravensburg stattfinden, unterscheiden sich stets von der herkömmlichen Variante. Da werden die gut 200 Jugendlichen, die regelmäßig kommen, beispielsweise mit Fragen konfrontiert, die sie in Kleingruppen diskutieren können, es gibt einen Hindernisparcours oder die Anwesenden können mit Acrylfarben alles malen, was ihr Leben bunt macht – mitten im Gottesdienst wohlgemerkt. „Es braucht andere Formen und eine andere Sprache“, um Jugendliche in die Kirche zu locken, weiß die 33-Jährige, die seit Sommer 2016 Jugendseelsorgerin in Ravensburg ist. Untermalt wird das Ganze jeweils von aktuellem Sound – dem von Mark Forster etwa.
Während der Zeit ohne feste eigene Bleibe werden die Jugendgottesdienste daher noch mehr als bisher aus dem Rahmen fallen – und mal in der Liebfrauenkirche (am 13. Mai), wahrscheinlich auch mal in der Basilika Weingarten (am 10. Juni) und bestimmt einmal unter freiem Himmel (am 8. Juli) stattfinden. Mit den Konzerten weicht Joel in die Liebfrauenkirche (Come & See, 21. April) oder die Christkönigskirche (Unity & Spirit mit der Gemeinschaft Immanuel, 9. Juni) aus.
Dass allerdings Schulklassen in die Jodokskirche kommen, wie sie das bisher gut dreimal die Woche taten, ist momentan nicht möglich – was Schwester Marie-Therese bedauert, denn: „Es fehlt der eigene, gemütliche Raum der Jodokskirche mit Beamer und Sitzwürfeln, in dem man gemütlich zusammensitzen und miteinander ins Gespräch kommen kann.“Hier schneiten auch immer wieder Jugendliche herein, bei denen es zu Hause klemmt oder die nicht recht wussten, wo der nächste, insbesondere berufliche, Schritt in ihrem Leben hingehen soll. Stadtpfarrer Hermann Riedle hat der Jugendkirche angeboten, im neuen Haus der katholischen Kirche (wenn es denn endlich fertig ist), Präsenz zu zeigen. „Wir sind noch am Überlegen, ob und wie wir das dort angehen“, sagt Bühler. Und sinniert über Passantenseelsorge, wie sie etwa in der Stuttgarter Königsstraße betrieben wird. Sie könnte sich auch vorstellen, an Schulen (wo sie ohnehin unterrichtet) eine Stunde wöchentlich einfach da zu sein und für Gespräche zur Verfügung zu stehen.
Bis dahin ist sie froh, dass in Sachen Umbau und Sanierung nicht an der Jugendkirche vorbeigeplant wird: Architekt und Kirche seien sowohl an ihrer als auch an der Meinung und den Anregungen des zehnköpfigen ehrenamtlichen Joel-Leitungsteams interessiert. Unter anderem favorisiert Schwester Marie-Therese den Leitgedanken „Freiraum“. Das bedeutet: Auch künftig soll’s in der Jodokskirche keine Bänke (mehr) geben. Entstehe doch viel mehr Nähe, wenn man, statt „Frontalunterricht“zu geben, gemeinsam im Kreis sitzt, findet Bühler. Dafür sollen künftig leichte Stühle bereitstehen, die man bei Bedarf in Ellipsenform aufstellen könne. Da an den übrigen Sonntagen auch andere Gruppierungen der Gemeinde wie „Offene Mitte“oder „Orgel plus“ihre jeweilige Form von Gottesdiensten in St. Jodok feiern, geht es laut Schwester Marie-Therese nun darum, den Innenraum der Kirche „so zu gestalten, dass es für alle passt“.
Bei dem Brand wurde vor allem das linke Kirchenschiff von St. Jodok stark in Mitleidenschaft gezogen, es ist ein Schaden von fast zwei Millionen Euro entstanden. Rauch und Ruß haben darüber hinaus sämtliche Kunstgegenstände sowie die Orgel beschädigt. Im Zuge der Sanierungsarbeiten muss die Kirche vermutlich ein Jahr lang geschlossen bleiben.
Die Jugendkirche Joel gibt es seit 2004 – sie war die erste Jugendkirche in der Diözese RottenburgStuttgart und eine der ersten deutschlandweit. Mit speziellen Aktionen und einer unkonventionellen Art, Gottesdienste zu feiern, will man mehr Jugendliche erreichen. Der Einzugsbereich der Jugendgottesdienste reicht bis nach Bergatreute oder Wangen. Nächste Veranstaltung von Joel ist das Konzert „Come & See – Musik, Impuls, Gebet, Segen“am 21. April, 18 Uhr, in der Ravensburger Liebfrauenkirche.
Im Video erzählt Jugendseelsorgerin Marie- Therese Bühler, wie sie sich die Zukunft der Jugendkirche wünscht – es ist online unter www. schwäbische/ jugendkirchejoel zu finden. Außerdem gibt es alle Berichte, Fotos und Videos zu den Kirchenbränden im Kreis Ravensburg unter www. schwäbische. de/ kirchenbrand