Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Warum Polizisten gegen Anker-Zentren sind
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sie groß angekündigt – doch schon vor der Einrichtung des ersten der AnkerZentren für Asylbewerber im Herbst dieses Jahres regt sich heftiger Widerstand. Gegen die Zentren, deren Namen für Ankunfts-, Entscheidungs-, Rückführungszentrum steht, protestieren Bürgermeister, stellen sich Kommunen quer. Und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) rebelliert. Die GdP befürchtet einen erheblichen Mehraufwand, besonders für Bundespolizisten.
In den Einrichtungen sollen die Ankunft von Flüchtlingen, die Entscheidung über ihre Asylanträge und die Verteilung in Kommunen beziehungsweise die Abschiebung abgewickelt werden. Dadurch würden die Asylverfahren erheblich beschleunigt, so die Hoffnung von Horst Seehofer. Die Bundespolizei soll die Zentren laut Innenstaatssekretär Stephan Mayer (CSU) einrichten, betreiben und bewachen.
Hauptaufgabe der Bundespolizei ist es, die deutschen Grenzen zu schützen. Diese nimmt die Bundespolizei aber laut Jörg Radek, Vorsitzender des Bezirks Bundespolizei in der GdP, seit dem 13. September 2015 nicht mehr vollständig wahr. Damals entschied Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, auch Flüchtlinge, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, nicht mehr an der Grenze abzuweisen. Eigentlich lässt Deutschland nach dem DublinAbkommen keine Asylsuchenden aus sicheren Drittstaaten einreisen. In der Ausnahmesituation hatte auch die Bundespolizei zugestimmt. Man habe die Ausnahmeregelung damals begrüßt. Doch nun sei es an der Zeit, sie aufzuheben, sagt GdP-Chef Radek. Sobald der Grenzschutz durch die Bundespolizei wieder vollständig gewährleistet sei, löse sich das Problem, da viele Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen würden.
In einem zehnseitigen Brief an den Bundesinnenminister und die Innenausschussabgeordneten der Fraktionen von Union, SPD, Grüne, Linke und FDP hat die GdP ihren Standpunkt geäußert und Forderungen dargestellt. Auf den hat sie bisher kaum eine Rückmeldung erhalten. Aus Sicht der GdP sind die geplanten Zentren nichts anderes als Lager. Radek sagt, er habe sich selbst in Bayern ein sogenanntes Transitzentrum angesehen, das als Vorlage für die Anker-Zentren dienen soll.
Radek befürchtet in den Zentren viele Diebstähle. Denn geplant ist, dass Menschen dort weniger Geld erhalten – und dafür Sachmittel wie Essen und Kosmetikartikel direkt bekommen. „Es ist davon auszugehen, dass einfache Diebstahlsdelikte zunehmen, wenn den Menschen die Mittel für das tägliche Leben fehlen“, sagt Radek. Steigende Kriminalität sei die Folge, wenn man Menschen finanzielle Leistungen streiche und einsperre, nichts anderes werde laut Radek in den Zentren gemacht. Sie bedeuten aus seiner Sicht für Asylsuchende eine „Haft ohne richterliche Grundlage“, die mit Artikel 104 des Grundgesetzes in Konflikt stehe. Darin steht, dass die Freiheit einer Person nur durch ein „förmliches Gesetz“eingeschränkt werden darf.
Kritiker wie Radek vermuten, dass Innenminister Seehofer das erste Modellzentrum nur deshalb bis Herbst einrichten will, um vor der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober Erfolge vorweisen zu können.