Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Streit zwischen Israel und Iran eskaliert

Tel Aviv bezichtigt Teheran der Lüge – Atomenergi­ebehörde widerspric­ht Anschuldig­ung

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TEL AVIV/LIMASSOL (dpa/wra) - Die Sorge vor einem Krieg zwischen Israel und Iran wächst. Der israelisch­e Regierungs­chef Benjamin Netanjahu warf der Führung in Teheran am Montagaben­d in einer dramatisch­en Präsentati­on vor, sie habe umfangreic­hes Know-how zum Atomwaffen­bau heimlich aufbewahrt – für einen möglichen künftigen Gebrauch. Iran wies dies zurück.

Während Netanjahu wie erwartet Unterstütz­ung der USA erhielt, reagierten die Bundesregi­erung wie die EU mit Zurückhalt­ung und Skepsis. Für die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini gibt es keine Beweise, dass Iran das Atomabkomm­en von 2015 gebrochen hat.

Auch die Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA) mit Sitz in Wien verteidigt­e das Abkommen. In einer Stellungna­hme vom Dienstag verwies sie auf ihren Abschlussb­ericht, wonach sie seit 2009 keine glaubwürdi­gen Hinweise mehr darauf hatte, dass Iran an der Entwicklun­g von Atomwaffen arbeitete.

Zuvor hatten Raketenang­riffe in Syrien die Sorge vor einer direkten militärisc­hen Konfrontat­ion zwischen Israel und Iran geschürt. Bei den Angriffen wurden der Syrischen Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte zufolge mindestens 26 Menschen getötet und 60 weitere verletzt. Syrische Staatsmedi­en vermuteten Israel hinter den Angriffen, die iranischen Stellungen gegolten hätten. Bei dem Angriff am späten Sonntagabe­nd auf ein Waffenlage­r sollen 200 Raketen zerstört worden sein.

Iran ist neben Russland wichtigste­r Verbündete­r des syrischen Präsidente­n Baschar al-Assad. Iran hat Berichten zufolge seine militärisc­he Präsenz in dem nördlichen Nachbarlan­d Israels zuletzt ausgebaut und viele Waffen nach Syrien geschickt. Israel hatte in den vergangene­n Monaten deshalb immer wieder Angriffe gegen Ziele in Syrien geflogen. Nach einem Angriff im April, bei dem auch sieben Iraner getötet wurden, drohte Irans Regierung mit Vergeltung.

Wiener Atomabkomm­en: Das am 14. Juli 2015 beschlosse­ne Abkommen beendete einen 13 Jahre langen Atomstreit mit Iran. Unterzeich­ner waren außer Iran die fünf Vetomächte im UN-Sicherheit­srat – USA, China, Russland, Frankreich, Großbritan­nien – sowie Deutschlan­d. Iran verpflicht­ete sich, für mindestens ein Jahrzehnt sein Atomprogra­mm drastisch zu beschränke­n, um keine Atomwaffe bauen zu können. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen Iran aufgehoben und dem Land eine Normalisie­rung der Wirtschaft­sbeziehung­en mit dem Westen in Aussicht gestellt. Das Abkommen hat dem Land nicht die erhofften wirtschaft­lichen Vorteile gebracht.

Die Kritiker:

USA: US-Präsident Donald Trump sagt, der Deal sei eines der allerdümms­ten und schlechtes­ten Abkommen überhaupt und hätte nie abgeschlos­sen werden dürfen. Als enger Verbündete­r Israels überzieht Trump Iran anhaltend mit scharfer Kritik, niemals dürfe Teheran Atomwaffen besitzen.

Israel: Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu hatte immer wieder gefordert, den Vertrag nachzubess­ern oder aufzukündi­gen. Der Vertrag habe Iran kriegerisc­her und gefährlich­er gemacht, sagte er. Iran hat Israel mit Zerstörung gedroht. Deshalb sieht der jüdische Staat eine mögliche Aufrüstung mit Atomwaffen als derzeit größte Bedrohung seiner Existenz. Saudi-Arabien: Auch das sunnitisch­e Königreich sieht im schiitisch­en Iran seinen Erzfeind. Die beiden Regionalmä­chte ringen in der islamische­n Welt um Einfluss. In den Konflikten in Syrien, im Irak sowie im Jemen unterstütz­en sie entgegenge­setzte Parteien. SaudiArabi­en befürchtet, dass Iran nach dem Wegfall von Sanktionen seine Mehreinnah­men nutzt, um mit seinen Verbündete­n nach regionaler Vorherrsch­aft zu streben.

Die Befürworte­r:

Internatio­nale Atomenergi­ebehörde (IAEA): Die IAEA hat nach eigenen Angaben seit 2009 keine glaubwürdi­gen Hinweise mehr darauf, dass Iran an der Entwicklun­g von Atomwaffen arbeitete. Sie warnt vor einem Ende des Atomde- als. Ein solcher Schritt wäre ein großer Verlust für die Überwachun­g nuklearen Materials und für das gemeinsame politische Handeln, sagte IAEA-Chef Yukiya Amano.

EU: Sie sieht das Atomabkomm­en mit Iran als einen Erfolg und versucht, es zu retten. Der Deal zeige, dass die Weiterverb­reitung von Nuklearwaf­fen mit diplomatis­chen Mitteln verhindert werden könne, lautet die Argumentat­ion in Brüssel. Bislang gebe es keinerlei Hinweise, dass Iran die eingegange­nen Verpflicht­ungen zur Einschränk­ung seines Atomprogra­mms nicht einhalte.

Russland: Moskau hat mehrfach betont, keine Alternativ­e zum Atomabkomm­en oder Änderungen zu akzeptiere­n. Der geltende Plan müsse von allen Seiten weiterhin strikt eingehalte­n werden, betonte Präsident Wladimir Putin als Antwort auf die israelisch­en Anschuldig­ungen. Das Abkommen sei laut Russland ein Garant für Stabilität und Sicherheit in der Region. Der Kreml stärkt Iran massiv den Rücken – wohl auch, weil Teheran einer der wichtigste­n Verbündete­n im Syrien-Konflikt ist. (dpa)

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