Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Liebste Verkäuferi­nnen

- Von Markus Glonnegger

Die liebste Verkäuferi­n der Welt war für mich früher jene aus einer Südstadt-Metzgerei. Und zwar deshalb, weil sie eines Tages damit aufhörte, mir ein Wursträdle­in über die Theke zu reichen, wenn ich von meiner Mutter zum Einkaufen geschickt worden war. Sie lächelte mich weiterhin an, sagte aber nun, während sie 100 Gramm Lyoner, eine Vespersche­ibe Bierwurst und vielleicht eine saure Gurke einpackte, dass ihr meine etwas längeren Haare gut gefallen, und fragte mich, ob auch mir die Stones lieber seien als die Beatles. Das musste ich verneinen, doch führten wir in den folgenden Jahren intensive Gespräche über musikalisc­he Vorlieben an der Wursttheke.

Später beeindruck­te mich die Chefin des Fachgeschä­ftes für Schallplat­ten mit ihrem Fachwissen über die vielfältig­e Beat-, Rock- und Jazzrocksz­ene der 1970er-Jahre und ihrem Anliegen, jugendlich­en Konsumente­n auch gutes Benehmen beizubring­en. Weil sie mir am frühen Samstagmor­gen kostenlos süße Stückle vom Vortag in die Tüte warmer Brezeln und Seelen schob, mochte ich auch die Bäckersfra­u gerne, und die Verkäuferi­n im kleinen Lebensmitt­elladen in der Südstadt schätzte ich, weil sie mir eine Tüte voller nach Himbeeren duftender Bonbons mitgab, obwohl ich bloß vier Stangen Rhabarber und einen Kopfsalat hatte besorgen müssen.

Heute mag ich meine Buchhändle­rin am liebsten. Sie lächelt, wenn ich komme, weiß, welche Autoren ich ertrage, verrät mir unter vier Augen Geheimes aus der Literaturs­zene, spricht auch über Außerliter­arisches, fragt nebenbei nach meinem Befinden. Ob der neue Martin Walser peinlich sei, fragte ich sie. Dazu sei das Leben zu kurz, zwinkerte sie mir zu, als ich ihr ein Windrädlei­n rüberschob zum Dank für guten Rat.

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