Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Außergewöhnlich, bilderreich und hochmusikalisch
Oratorienchor Liederkranz Ravensburg und Solisten geben im Konzerthaus eine tolle Vorstellung
RAVENSBURG - Einen „Heidenspaß“versprach das Konzert mit dem Oratorienchor Liederkranz Ravensburg im Konzerthaus unter dem Titel „Walpurgisnacht“und Stücken der Romantik von Schumann, Brahms und Mendelssohn Bartholdy. Und das war wörtlich zu nehmen, denn Letzterer hat Goethes fast satirisch zu nennende Ballade vom Kampf zwischen Heiden und Christen „Die erste Walpurgisnacht“von 1799 auf höchst fantasievolle Art beim Wort genommen und 30 Jahre später vertont.
Rot und Schwarz sind die Farben von Hölle und Teufel und Rot vor allem die Farbe glühender Leidenschaft wie auch der Liebe Christi nicht zu vergessen. So war der von Chorleiter Gregor Simon bestens vorbereitete Oratorienchor diesmal in diese Farben gewandet, denn das ganze Programm drehte sich nun mal um die Seele, die Liebe, die Leidenschaft und die finsteren Mächte, welche die menschliche Existenz bedrohen. Zunächst führten drei a cappella gesungene Lieder von Schumann in die Thematik ein, nach „Nord oder Süd“die bekannten und dem Chor glänzend vertrauten „Der König von Thule“und „Schön-Rohtraut“. Dann ging es nach einer klug formulierten Einführung durch Tobias Gerstung über zur „Zigeunerromantik“von Schumann und Brahms. „Unbeschnitten vom Skalpell der Vernunft“ sei diese „Utopie“vom fröhlichen Zigeunerleben – ja, wie wahr, wie aktuell Schumanns Lied „Zigeunerleben“op. 29 war dazu von Triangel und Tamburin aus den Chormitgliedern begleitet und nun auch von Jürgen Jakob, Pianist und Fachbereichsleiter an der Musikschule Tettnang, am Klavier.
Brahms „Zigeunerlieder“op. 103 sind eigentlich ungarische Volkslieder, die er für kleine Besetzung geschrieben hat; in der Konzertfassung stellen sie höchste Ansprüche an den Chor, sowohl in der Stimmführung wie in den lautmalerischen Texten. Der Oratorienchor meisterte dieses schwierige Werk mit elf sehr verschiedenartigen Liedern, das man sehr selten im Konzertsaal hört, mit sicherer Intonation und Artikulation. Eine kleine Verschnaufpause für den Chor bot danach Brahms’ Lied „Von ewiger Liebe“op. 43, das der Bassbariton Teru Yoshihara interpretierte.
Nach der Pause zeigte sich Jürgen Jakob mit der „Ungarischen Rhapsodie“Nr. 2 von Franz Liszt als virtuoser Pianist; noch „sportlicher“wurde seine bewundernswerte Leistung dadurch, dass er aufgrund einer Verletzung des rechten Fußes mit dem linken Fuß das rechte Pedal bedienen musste. Auch der zweite Solist des Abends, der Tenor Matthias Laferi, stellte sich mit einem Brahms-Lied aus dem Romanzenzyklus „Die schöne Magelone“vor.
Nach so vielen Eindrücken dann das Hauptstück des Konzerts: Mendelssohns „Walpurgisnacht“op. 60 für Chor, Orchester und Solisten in der überarbeiteten Fassung von 1843, in die Christoph Stehle mit einem kurzen Exkurs in die Geschichte der Hexenverfolgung, die in der Romantik schon Vergangenheit war, einführte. Wer brauche ein Orchester, wenn man Jürgen Jakob am Klavier habe, meinte Stehle zur Klavierfassung.
Lehrstück über die schillernde Romantik
Und so war es: Dieses von Naturstimmungen, Lautmalerei geheimnisvoll raunender Texte, dramatischer Musik, spitzen Sopranen, dunklen Bässen und mächtigen Chören durchwirkte Stück wurde zugleich zu einem Lehrstück über die schillernde Romantik. Den Antagonismus zwischen archaisch-keltischen Mythen und christlicher Religion, die Persiflage auf das düstere Mittelalter und das Licht der Aufklärung brachten der Chor und die Solisten sehr eindrucksvoll zu Gehör. Über die Aufführung dieses schwierigen und selten zu hörenden Stücks zeigte sich das begeisterte Publikum zu Recht besonders erfreut und spendete langen und herzlichen Applaus.