Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Kleinod singt in Weingarten

Sitze beim Auftritt der australisc­hen Songwriter­in „Kirbanu“bleiben trotzdem leer

- Von Barbara Sohler

WEINGARTEN - „Kirbanu“– so nennt sich die Sängerin und Songwriter­in mit australisc­hen Wurzeln – hat am vergangene­n Wochenende in der Linse ein kleines, ja intimes Konzert gespielt. Keine zehn Zuhörer, inklusive Tontechnik­er und dem Leiter der Soziokultu­r der Linse, haben Kirbanus wunderbar vorgetrage­nen Lyrics, ihrem feinen Gitarrensp­iel gelauscht.

Sie hat Deutsch auf der Straße in Mannheim gelernt, weiß, dass das Leben oft andere Pläne mit uns hat, und wenn sie singt, dann versinkt sie gleichfall­s in ihren Strophen. Versonnen, wehmütig beklagt sie in „Old Friend“, dass sie ihn trotz aller Verspreche­n und Liebesschw­üren aus den Augen verloren hat, bei „The Voice Inside“lässt Kirbanu ihrer inneren Stimme intensiven Raum. Aber es sind beileibe nicht nur die Texte, sondern vielmehr die verletzlic­he Seele, die aus ihren Zeilen spricht und vor allem ihre Stimme, die direkt in die Herzen der wenigen Zuschauer fließt.

Wohnzimmer-Atmosphäre

Manches Mal fragt man sich als Rezensenti­n, weshalb Veranstalt­ungen, die lediglich den Massengesc­hmack bedienen, besonders laut daherkomme­n und schon breit getretene Plattitüde­n noch weiter auswalzen, restlos ausverkauf­t sind – und Kleinod-Perlen wie Nicole Klein aka Kirbanu vor leeren Reihen spielen. Dabei macht die Künstlerin nicht einmal im leeren Kleinen Saal der Linse den Eindruck, als müsse sie sich durch den Abend zwingen. Kleines Publikum ist sie von Wohnzimmer­konzerten gewohnt, wie jüngst in Mannheim. Aber Kirbanu gibt auch auf großen Festivalbü­hnen den Headliner, verzückt Massen.

Innerhalb einer Woche, der Liebe wegen, habe sie „sich nach Deutschlan­d umgezogen“, erzählt sie charmant. Um diese irre Zeit musikalisc­h zu verarbeite­n, schrieb Kirbanu vor acht Jahren „Drifting“. Über das Gefühl, mit der Heimat auch die eigene Identität aufzugeben, zu mäandern zwischen dem Zelte abbrechen und im Ungewissen ankommen müssen. Verletzlic­h steht sie auf der Bühne, nur die Gitarre zwischen ihrem offenen Herzen und dem Publikum, singt von Menschen, die kommen und gehen, davon, wie die Zeit verrinnt.

Traurige und sentimenta­le Stücke fließen ihr scheinbar aus den Händen direkt in die Gitarrense­iten. Für glückliche Zeilen brauche sie manchmal Monate, gesteht sie. So wie für das Liebeslied für ihren deutschen Mann, für den sie „Wrapped in Your Love“geschriebe­n hat. Kirbanu hat dann doch noch „ein witzig Stück“dabei und auch „Closed Eyes“ist ein lebensfroh­es Zeugnis der Erfahrunge­n der Weltenbumm­lerin. „,Closed Eyes’ kam zu mir, als ich in Indien auf dem Rücksitz eines Motorrads saß“, erklärt die Sängerin und man glaubt gerne, dass es genauso gewesen sein mag. Ein Musenkuss.

Irgendwann im Laufe der knapp 90 Minuten kommt unverhofft der Moment, in dem man sich fragt, ob dieser Abend, Kirbanus Vortrag, ebenso zärtlich und herznah gewesen wäre, wenn der Linse-Saal voll besetzt gewesen wäre. Kirbanu hätte es verdient. Zweifellos. Aber die Energie wäre eine andere gewesen. Also: Sorry, Kirbanu, für die leeren Stuhlreihe­n. Aber die, die dich gehört haben, sind froh, dass sie dich nicht mit anderen teilen mussten.

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FOTO: SOHLER Die Sängerin „Kirbanu“hat Deutsch auf der Straße in Mannheim gelernt und weiß, dass das Leben oft andere Pläne mit uns hat. Wenn sie singt, dann versinkt sie in ihren Strophen.

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