Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Korruption auf allen Ebenen
Aziz Rahimi schildert seine Eindrücke vom jüngsten Besuch in Afghanistan
LEUTKIRCH - Jedes Jahr nach seiner Reise nach Herat im Frühjahr verfasst Aziz Rahimi einen Bericht für die Mitglieder und Unterstützer des Vereins „Hilfe für Herat e. V.“. Hier ein Auszug.
„Familien, die vergangenes Jahr noch ein gutes Auskommen hatten, haben oft ihr Einkommen verloren. Was dagegen auffällt ist, dass die Landwirtschaft besser funktioniert; es gibt zunehmend Gewächshäuser, sodass weniger aus dem Iran eingeführt werden muss und das Angebot frischer und deutlich günstiger ist als in den vergangenen Jahren. Das mag auch damit zusammenhängen, dass die Stromversorgung durch den Staudamm bei Herat besser geworden ist und das Wasser dennoch weiter zur Bewässerung zur Verfügung steht. Aus den Bergen (oft schneebedeckt) kommt viel Wasser; die Temperaturen in Herat können im April zwischen -8 und +32 Grad wechseln.
Was auch ein bisschen Hoffnung macht, ist die geplante Gaspipeline TAPI (Turkmenistan-AfghanistanPakistan-Indien). Davon könnte auch die Region Herat durch neue Arbeitsplätze profitieren, ebenso durch die geplante Gasversorgung in der Region. Auch ist die Zahl der Überfälle zum Beispiel auf die Busse von Herat nach Kabul ein wenig zurückgegangen; bisher musste man für die Strecke von 1200 Kilometern mit etwa zehn Überfällen/Entführungen rechnen. Die Verbesserung könnte damit zusammenhängen, dass China 900 Milliarden Dollar investiert, um die alte Seidenstraße auch als Handelsweg wiederzubeleben, mit Eisenbahnen, die es bisher in Afghanistan nicht gibt. Vermutlich werden die Chinesen diese Pläne und Bauvorhaben vor Übergriffen schützen.
Im Übrigen ist die Situation unverändert – die Regierung und die Mächtigen auf allen Ebenen sind total korrupt; sie sitzen (im wörtlichen und im übertragenen Sinn) mit den Clans und den Taliban am gleichen Feuer. Die Clans, großenteils die alten Mudschaheddin, sind zum Teil bis an die Zähne bewaffnet. Bis zu 50 000 Leute stehen alleine in Herat unter Waffen. Die Städte gehören ihnen, bei Festen schießen sie wild in die Luft. Fachlich qualifizierte Menschen wie gut ausgebildete Ingenieure mit vermutetem westlichen Einfluss, werden grundsätzlich verdächtigt und oft auch umgebracht. Ansonsten gibt es – wie fast überall – alle Arten von Banden und Überfälle, aber nicht so viele Bombenanschläge. Dennoch ist bekannt, dass sich weiter im Süden (Kabul) auch geflüchtete IS-Söldner sammeln.“