Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Fatale Inszenierung
Die Regierungskrise ist vertagt, aber nicht ausgestanden. Denn ein Kabinett, in dem der Innenminister seiner Kanzlerin derart die Loyalität versagt, kann auf Dauer nicht funktionieren. Das Dilemma ist: Sollte Angela Merkel vorzeitig von Bord gehen, profitieren die Populisten. Eine Situation, die von der CSU skrupellos herbeigeführt wurde. Denn würde die Christsozialen nur die Sorge um den Rechtsstaat antreiben, hätten sie nicht gleich zum Halali auf die Kanzlerin geblasen.
Auch wenn die Tonlage am Montag in München eine andere war als vergangene Woche: In der Sache hat Horst Seehofer die Krise nicht entschärft. Sein betont entspannter Auftritt und die Art, wie er Merkel gönnerhaft 14 Tage Zeit einräumte, um seine Forderung zu erfüllen, waren schlicht dreist. Stellen Sie sich einmal vor: Sie stellen Ihrem Chef ein Ultimatum und behaupten gleichzeitig öffentlich, er nehme illegale Praktiken hin. In diesem Fall wäre es sinnvoll, ein Jobangebot in der Hinterhand zu haben. Doch der CSU-Chef tut so, als sei sein Vorgehen in angeblich schwierigen Zeiten ganz normal. Das ist es nicht.
Man muss kein Merkelfreund sein, um Seehofers Inszenierung als Retter des Rechtsstaats fatal zu finden. Er weiß sehr wohl, dass er mit seinem Zündeln jene stark machen kann, die auf christliche Grundwerte wie Nächstenliebe und Barmherzigkeit keinen Pfifferling geben. Zudem schwächt er, indem er die Kanzlerin schwächt, auch Deutschlands Stellung in Europa. Merkel wurde von ihm quasi zur Bittstellerin gemacht, wenn sie nun mit Ländern wie Italien und Griechenland über Rücknahmeabkommen verhandelt. Das könnte, ganz abgesehen von allem anderen, auch deren Preis nach oben treiben.
Wenn es Seehofer tatsächlich so wichtig wäre, die Zuwanderung besser zu steuern, dann sollte er mit der Energie, die er gerade sinnfrei vergeudet, ein Einwanderungsgesetz vorantreiben. Dann gäbe es endlich einen nachvollziehbaren Rechtsrahmen für legale Einwanderung nach Deutschland. Damit wäre allen gedient – der Wirtschaft, der Gesellschaft und auch dem Rechtsstaat.