Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Zukunftsangst als größter Stressfaktor
An der Hochschule werden psychische Erkrankungen während des Studiums thematisiert
WEINGARTEN (sz) - Am bundesweiten Diversity-Tag hat sich auch die Hochschule Ravensburg-Weingarten mit einer der vielen Facetten von Diversität beschäftigt. Wie die Hochschule mitteilt, ging es bei einem Fachvortrag und anschließendem Workshop um psychische Erkrankungen im Hochschulkontext, dem Studieren mit Beeinträchtigungen.
„Wir wollen mit dieser Veranstaltung einen Impuls setzen, denn zum Thema Vielfalt an der Hochschule gehören auch sichtbare und unsichtbare Behinderungen. Über den Umgang mit nicht sichtbaren Beeinträchtigungen wollen wir uns heute miteinander austauschen“, begrüßte Zerrin Harth, Prorektorin für Diversity, Weiterbildung und Studentisches Leben an der HRW laut Mitteilung die rund 70 Interessierten, die den Veranstaltungsraum bis auf den letzten Platz füllten.
Dass gerade im Hochschulkontext psychische Erkrankungen ein wichtiges Thema sind, machte Reinhard Mack, Leiter der Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Seezeit Studierendenwerks Bodensee in Konstanz, zu Beginn seines Vortrags deutlich. „Der Leistungsdruck hat in den letzten Jahren über alle Hochschulen hinweg zugenommen, wobei der Druck, den sich die Studierenden selbst machen, oftmals schlimmer ist“, sagt Mack.
Wichtigster Stressfaktor, so Mack, sei dabei die Zukunftsangst, also die Frage, ob man das Studium erfolgreich schafft und einen Platz in der Gesellschaft findet. Viele Eltern teilen diese Zukunftsangst ihrer Kinder und bestärken diese zusätzlich durch ihre Überfürsorge. Das Phänomen von sogenannten Helikoptereltern habe sich deutlich verschärft, erklärt
Je jünger, desto größer sind die Anforderungen“Reinhard Mack, Leiter der Psychotherapeutischen Beratungsstelle
Mack laut Mitteilung weiter. Doch Mack kenne auch viele Fälle, in denen sich Eltern gar nicht für das Studium ihrer Kinder interessieren.
„Studierende sind heute in der Regel immer jünger, viele 18-Jährige kommen zu mir in die Beratung. Je jünger, desto größer sind die Anforderungen: Leistungsdruck, Konkurrenz, Studienanforderungen, Berufswahl, neue Freundschaften und erste Partnerschaften", sagt Mack. Jeder fünfte Studierende hat Angststörungen oder Depressionen
Laut einer Umfrage vom Deutschen Studierendenwerk haben laut Mitteilung zwischen 40 und 60 Prozent der Studenten in Deutschland mit psychischen Belastungen wie soziale Probleme oder Entwicklungskrisen zu kämpfen. Der Begriff „Psychische Belastungen" sei aber sehr vage und müsse von wirklich schweren psychischen Störungen wie Schizophrenie und Essstörungen oder anderen Störungen wie Ängsten und Depressionen unterschieden werden, macht Mack deutlich.
Während fünf Prozent tatsächlich unter schwerwiegenden Erkrankungen leiden, haben 20 Prozent der Studenten behandlungsbedürftige psychische Störungen. „Dazu gehört auch die Angst vor Mobbing – ein während der Pubertät häufiges und überstandenes Problem, das plötzlich im Studium wieder auftauchen kann“, erzählt Mack, der seit 25 Jahren im Hochschulbereich arbeitet.
Über Symptome von Angststörungen und Depressionen sprach dann auch Martin Binser, Professor im Bachelorstudiengang Angewandte Psychologie an der Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege der HRW. Sein Fachvortrag leitete den anschließenden Workshop ein. „Angstreaktionen entstehen häufig in Situationen, bei denen die Studierenden im Mittelpunkt stehen, zum Beispiel bei Referaten oder mündlichen Prüfungen“, erklärt Binser. Der Psychologe betonte, dass Aufregung vor diesen Anlässen etwas ganz Natürliches sei. Komme es aber durch die Angstzustände zu starken Leistungseinschränkungen, sei professionelle Hilfe ratsam.