Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Blutritt muss sich für Frauen öffnen
Es ist gut zu hören, dass Frauen beim Blutritt kein Tabuthema sind und dass diese Frage auch innerhalb der Kirche und Blutfreitagsgemeinschaft diskutiert wird. Doch mit einem eindeutigen Ja tun sie sich immer noch schwer. Es mag sein, dass es intern bislang keine Notwendigkeit gab, sich zu öffnen. Doch nach außen wäre es ein positives Signal, wenn man sich jetzt dafür entscheiden würde.
Das hat mehrere Gründe. Erstens: Der Blutritt hat ein Nachwuchsproblem. Die Anzahl der Reiter bewegt sich auf dem Niveau von 1984. Ein Ende dieses Abwärtstrends ist nicht zu erwarten, sagen selbst die Verantwortlichen. Das dürfte das Problem der ohnehin schon vorhandenen Überalterung noch weiter zuspitzen. Was also kann es schaden, auch die Frauen mitreiten zu lassen? Sie machen in der Weingartener Blutfreitagsgemeinschaft mit rund 400 Frauen ohnehin schon die Hälfte aller Mitglieder aus.
so dass sich der Reiter ganz darauf konzentrieren konnte.
Doch auch damit wird man den Reiterschwund nicht komplett auffangen können. Das weiß auch Sprißler, der die Blutreiterfamilien in besonderem Maße in der Verantwortung sieht, Nachwuchsarbeit zu leisten. 800 Mitglieder zählt die Gemeinschaft zurzeit. Die Hälfte davon sind Frauen, die nach Aussage von Sprißler selbst recht wenig Interesse an der Aufhebung des unausgesprochenen Verbotes hätten. „Das ist kein großes Thema“, sagt er.
Zweitens: Der Blutritt würde sich als weltoffene Veranstaltung zeigen und dem Image entgegenwirken, eine verstaubte, archaische Tradition zu sein. Damit könnte auch die Attraktivität für jüngere Menschen steigen, sich dem Glauben zuzuwenden. Die von Dekan Schmid angeregte Besinnung auf das Wesentliche des Glaubens kann zwar zielführend sein. Realistischerweise begeistert man mit kirchlichen Traditionen heutzutage aber immer weniger junge Menschen. Das zeigt nicht zuletzt die Gesamtentwicklung der katholischen Kirche. Der Weingartener Blutritt steht symptomatisch für diese Entwicklung. Will man dem entgegenwirken, muss man sich der Realität stellen. Ein Umdenken ist zwingend erforderlich.
Um seiner selbst willen muss sich der Blutritt für Frauen öffnen. Die Tradition zu reformieren heißt nicht, sie abzuschaffen. Im Gegenteil.
m.reppner@schwaebische.de
Im Übrigen ist es nicht das erste Mal, dass der Blutfreitag unter einem Rückgang an Reitern leidet. Schon in den 1960er-Jahren war die Zahl konstant rückläufig. Immer weniger Pferde kamen als Zugtiere zum Einsatz, die Pferdehaltung in einem zunehmend städtisch geprägten Weingarten verschwand fast völlig, so dass sich die Anzahl fast zwangsläufig reduzierte. Da man um den Fortbestand des Blutritts fürchtete, gründete man im Jahr 1968 die Blutfreitagsgemeinschaft. Und die feiert in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen.