Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Eine letzte Chance für das Altwürttemberger Pferd
Tine und Meinrad Maurer aus Fronreute züchten die vom Aussterben bedrohte Pferderasse
FRONREUTE - Die Altwürttemberger Pferde sind so gut wie ausgestorben. Gerade einmal vier Fohlen dieser Rasse sind im Jahr 2014 auf die Welt gekommen. Würde es so weitergehen, könnte diese Art nicht mehr lange erhalten bleiben. Doch es gibt noch Hoffnung – auch dank Tine und Meinrad Maurer aus Fronreute. Die beiden gehören zu den wenigen Züchtern dieser selten gewordenen Pferderasse. Drei Zuchtstuten und ein Wallach leben derzeit bei ihnen im Stall.
Es ist eine traurige Auszeichnung: Die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Nutztierrassen (GEH) hat das Altwürttemberger Pferd zur „gefährdeten Nutztierrasse des Jahres 2018“ernannt. Damit steht das als „extrem gefährdet“eingestufte Tier stellvertretend für insgesamt 174 gefährdete Nutztierrassen, die auf der Roten Liste der GEH erfasst sind. Tina und Meinrad Maurer sehen diese Auszeichnung aber auch als wichtige Chance für den Erhalt der Rasse. „Jetzt lässt sich noch etwas bewegen“, sagt Meinrad Maurer. Die Zucht der Altwürttemberger Pferde ist für das Ehepaar mittlerweile zur echten Herzensangelegenheit geworden. Dabei waren die beiden anfangs lediglich auf der Suche nach einem geeigneten Familienpferd.
Anfangs belächelt worden
Die Pferde brachte Meinrad Maurer mit in die Ehe. Der gebürtige Ravensburger ritt im Alter von neun Jahren zum ersten Mal beim Blutfreitag mit, hatte mit Anfang 20 sein erstes eigenes Pferd. Tine Maurer hatte, als sie ihren Mann kennenlernte, noch Angst vor den großen Tieren. Die sollte sich jedoch bald legen. Gemeinsam unternahmen sie Ausritte – damals aber noch nicht auf Altwürttemberger Pferden. Als die beiden Kinder kamen, suchte das Paar nach einer Möglichkeit, als Familie mit Pferden unterwegs zu sein – eine Kutsche sollte die Lösung sein. Also mussten Pferde her, die kräftig genug sind, um diese zu ziehen, die aber auch einen gutmütiges und nervenstarkes Wesen haben. Meinrad Maurer erinnerte sich an die Altwürttemberger – sie erfüllten die Kriterien perfekt.
So kamen die Maurers mit der Zeit auch dazu, die Tiere zu züchten. „Wir sind einfach begeistert von diesem Pferd, ohne andere Rassen schlechtmachen zu wollen“, sagt Meinrad Maurer. Als „überzeugter Oberschwabe“sei es für ihn schön, gleichzeitig die Region zu unterstützen. Das Wissen über die Pferdezucht hat sich das Paar selbst angeeignet – durch Literatur oder in Gesprächen, aber auch durch eigene Erfahrungen. „Anfangs sind wir schon auch belächelt worden“, sagt Tine Maurer.
„Wie ein Lottogewinn“
Auf einer Tür im Pferdestall haben die Maurers die Namen aller Fohlen notiert, die auf ihrem Hof geboren sind. Mittlerweile sind es 16, darunter auch Sadi und Aragon, die heute als Zuchthengste auf dem Landesgestüt in Marbach leben. Die ersten beiden Fohlen, Samson und Sherlock, kamen im Jahr 2000 zur Welt. Stute Senna hat es bei der Altwürttemberger Verbandsschau in Marbach sogar auf den ersten Platz geschafft.
Insgesamt gibt es noch 45 eingetragene Altwürttemberger Zuchtstuten. Die Maurers schätzen, dass es noch gut 80 weitere Stuten geben müsste, die nicht eingetragen sind. „Im Moment ist es besonders wichtig, die Gene zu erhalten, die noch da sind“, sagt Meinrad Maurer. Daher wäre es „wie ein Lottogewinn“, wenn sich noch weitere Stutenstämme an der Zucht beteiligen würden.
Immerhin: Im vergangenen Jahr habe es bereits zwölf bis 15 Altwürttemberger Fohlen in Baden-Württemberg gegeben. Durch die Förderprogramme des Landes hätten sich die Zuchtbedingungen verbessert, findet Meinrad Maurer. Gewinn gemacht habe er mit dem Verkauf eines Pferdes bislang nicht. Die Zucht sei eben ein Hobby. Er und seine Frau hoffen, dass das Altwürttemberger Pferd noch lange erhalten bleibt.
Mit einem Aspekt der Pferdezucht können sich Tine und Meinrad Maurer aber nicht anfreunden. „Es fällt schon schwer, die Tiere mit zweieinhalb Jahren wegzugeben. Da hat man viel Zeit investiert und eine Beziehung aufgebaut“, erzählt Meinrad Maurer. Und auch für Tine ist es nicht ganz leicht. „Ich plärr bei jedem – aber das gehört nun mal dazu“, sagt sie lachend.