Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Zeitung und Tante Ju retteten meinem Mann das Leben“
Bei der Wangenerin Maria Kempter wecken die jüngsten Berichte über das legendäre Junkers-Flugzeug Erinnerungen
WANGEN - Der Absturz einer Ju-52 in der Schweiz und die geplanten Rundflüge der „Tante Ju“bei den sogenannten „Do-Days“des Friedrichshafener Dornier-Museums am Wochenende haben bei der Wangenerin Maria Kempter wieder Erinnerungen geweckt. Erinnerungen an ihren verstorbenen Mann Friedl. Der verdankte damals im Krieg dem legendären Junkers-Flugzeug und dem Vorgänger der „Schwäbischen Zeitung“ein langes Leben.
Es gibt Dinge im Leben, die verbindet man automatisch mit einschneidenden, manchmal längst vergangenen Erlebnissen. Einen Filmklassiker beispielsweise, der in die eigene, unbeschwerte Jugendzeit zurückführt. Oder ein Urlaubsdomizil als Ort, an dem man die erste große Liebe kennengelernt hat. Bei Maria Kempter ist es die „Tante Ju“, die wehmütige, aber auch dankbare Erinnerungen weckt.
Das Bild des bekannten JunkersFlugzeugs hat die 90-jährige Seniorin aus Wangen unlängst wieder in ihrer „Schwäbischen Zeitung“entdeckt. Bei dem Bericht ging es um die „Do-Days“, das Flugwochenende des Dornier-Museums. Und darum, dass die dortigen Rundflüge mit einer Ju-52 wie geplant über die Bühne gehen – trotz des jüngsten Absturzes einer Maschine selbigen Typs in der Schweiz.
Wenige Tage später sitzt Maria Kempter im Wohnzimmer ihres Häuschens am Wangener Gehrenberg. An der Wand hängen unzählige Familienbilder, auf einem Tisch liegt eine Lupe und darunter die aufgeschlagene Seite der „Schwäbischen Zeitung“mit dem Bericht. „Die Zeitung hat meinem Mann das Leben gerettet“, sprudelt es aus der 90-Jährigen heraus. Und dann erzählt sie ihre Geschichte.
„Langes, erfülltes Leben“
Es sind die letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, Friedl Kempter ist Soldat an der Ostfront. An dem Tag, der sein Leben verändert, liegt er mit seiner Einheit am Ufer des Don. Aus seiner Heimat bekommt der Wangener regelmäßig die „Donau-Bodensee-Zeitung“zugeschickt, der Vorgänger der heutigen „Schwäbischen Zeitung“. Die liest Kempter im rückwärtigen Teil einer Hütte auch, als die Russen von der anderen Seite des Flusses plötzlich das Feuer eröffnen. Die beiden Kameraden auf der anderen Seite des Gebäudes sterben sofort, Kempter verliert bei dem Schusswechsel sein linkes Auge.
Von anderen Soldaten seiner Einheit wird er schwerverletzt zu einer Ju-52 geschafft. „Die haben ihn in das Flugzeug gestoßen, haben die Klappe zugemacht und sind in Sicherheit geflogen“, erzählt Maria Kempter. In einem Lazarett in Dresden erholt sich Friedl, ist aber nicht mehr wehrtauglich und wird in die Heimat zurückgeschickt. „Deshalb konnte er noch ein langes, erfülltes Leben führen“, sagt die 90-Jährige und tupft sich mit einem Taschentuch an die feuchten Augen.
Nach Kriegsende lernt Maria Kempter ihren Friedl kennen, er wohnt in derselben Siedlung am Wangener Gehrenberg. Die damals 26-Jährige und der 34-Jährige heiraten im Jahr 1954, aus der Ehe gehen zwei Töchter hervor. Bis zu seinem Ruhestand arbeitet Friedl Kempter in der Zulassungsstelle im Wangener Landratsamt. Auch als Rentner ist er eine wahre Sportskanone, fährt Motorrad, wandert viel, steigt unter anderem auf den Mont Blanc und sitzt eigentlich täglich auf seinem Rennrad. Seine Begeisterung fürs Radeln wird ihm schließlich zum Verhängnis: Bei einem Unfall mit einem Lkw an der damaligen Waltershofener Kreuzung verunglückt der Wangener schwer und stirbt kurze Zeit später, es ist der Sommer 2002, im Ravensburger Krankenhaus.
Als Maria Kempter mit ihrer Geschichte fertig ist, blickt sie wieder zur aufgeschlagenen SZ mit dem Bild der Ju-52. „Die Zeitung und natürlich die ,Tante Ju’ haben meinem Mann damals das Leben gerettet“, wiederholt sie den Satz von vorhin. „Und sie haben möglich gemacht, dass ich überhaupt so lange Zeit mit meinem Mann verbringen durfte.“