Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Spätburgunder
Die älteste rote Rebsorte am Bodensee
Die besten Bodenseeweine verdanken ihren Ruf seit jeher der Burgundertraube. Die anspruchsvolle Sorte gedieh vor allem in den begünstigten Hanglagen und wird seit Jahrhunderten rund um den See angebaut. Während das Gros der Seeweine aus ertragreichen weißen Sorten erzeugt wurde und nicht gerade den besten Ruf besaß, waren einzelne Orte und Lagen seit dem Spätmittelalter berühmt für ihre Weine aus roten Trauben.
Ob die aus Nordostfrankreich stammende Burgunderrebe bereits mit der fränkischen Expansion an den Bodensee kam, bei der adlige Grundherren sie mitbrachten, ob ihre Einführung mit der großen Klostergründungswelle des 8. Jahrhunderts zusammenhängt oder ob sie mit den Zisterziensern im Hochmittelalter aus dem Burgund einwanderte, muss offen bleiben. Rebsorten werden gemeinhin erst ab dem Spätmittelalter in den Schriftquellen genannt. Das gilt auch für die Bodenseeregion: Für die Einführung von Spätburgunder in Bodman im Jahr 884 gibt es keinen Quellenbeleg. Der Königsweingarten wurde vermutlich erst sehr viel später mit der Spätburgunderrebe bestückt.
Erste Nennung im 16. Jahrhundert
Der früheste Schriftbeleg für die Burgunderrebe am See ist eine Überlinger Rebordnung von 1554. Sie untersagte den Winzern, die „guten alten kläfner“durch minderwertige weiße Reben zu ersetzen. Bis heute ist Klevner ein Synonym für Spätburgunder. Klevner bezeichnete indes zunächst keine Rebgattung, sondern eine seit dem Hochmittelalter beliebte Weinsorte, die nach ihrer Herkunft aus dem italienischen Chiavenna, zu deutsch Kleven, benannt wurde. Der Name der Handelssorte ging dann auf die Burgundertraube über, vermutlich, weil die daraus bereiteten Weine dem ausländischen Luxusgetränk nahekamen. Da die Rebe sehr mutationsfreudig ist, koexistierten am See verschiedene Varianten, die durch jahrhundertelange Anpassung an den Standort entstanden waren. Neben Klevner hatten die Burgundervarietäten am Bodensee weitere Namen: Blauer Silvaner, Bodenseeburgunder, Seeklevner und Blauburgunder.
Verfeinerte Weinkultur
Im 18. Jahrhundert beherrschten die geistlichen Grundherren den Weinhandel – sie steigerten den Anbau von Spätburgunder, den sie reinsortig ausbauten. Der Wirtschaftsverwalter der Kartause Ittingen ließ eine Rebschule mit Burgunderreben anlegen. Abt Anselm II. Schwab von Salem importierte Setzlinge aus dem Burgund, und in Meersburg feilte das oberschwäbische Kloster Rot daran, durch längeren Maischekontakt farbintensivere Rotweine zu erzeugen. Infolge der Umwälzungen des 19. Jahrhunderts änderte sich nicht nur die Erzeugerstruktur. Die Weine verbesserten sich dank moderner Produktionsmethoden. Mit der Verbürgerlichung der Weinkultur kamen Weinproben und öffentliche Weinwettbewerbe auf, bei denen die Rotweine vom Bodensee ihren Ruf festigen konnten. Meersburger, die Thurgauer Sorten Ittinger, Bachtobler und Winzelnberger, Buchberger und Bernecker aus dem Rheintal sowie Hallauer aus dem Klettgau etablierten sich geradezu als Marken für herausragende Rotweine aus der Spätburgundertraube. Erstmals füllte man nun am Bodensee Spitzenweine in Flaschen ab. Sie wurden auf den Weinkarten der Grandhotels gelistet, und die Thurgauer Rotweine reüssierten gar auf den Weltausstellungen. Mit der Umstellung auf Pfropfreben Anfang des 20. Jahrhunderts verschwanden viele alte Burgunderspielarten und wurden von modernen Spätburgunderklonen ersetzt.
Der Beitrag erscheint im Jubiläumsband: Harald Derschka/ Jürgen Klöckler ( Hg.): Der Bodensee. Natur und Geschichte aus 150 Perspektiven. Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag 2018, 25 Euro.