Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trotz Warnung hat Bohrfirma Internetau­sfall riskiert

Stadt riet von Spülbohrun­gen rund um die Altstadt ab – Kabel wurden bei Glasfasera­usbau beschädigt

- Von Jasmin Amend

RAVENSBURG - Bei sogenannte­n Spülbohrun­gen rund um die Ravensburg­er Altstadt sind vergangene Woche Strom- und Telekommun­ikationska­bel beschädigt worden. Zahlreiche Haushalte, darunter auch Geschäfte und Hotels, hatten tagelang weder Telefon noch Internet (die SZ berichtete). Nun erfuhr die „Schwäbisch­e Zeitung“: Die Stadt hatte dem Unternehme­n von diesem Verfahren entlang der Stadtmauer abgeraten.

Seit 23. Juli sind Unternehme­n an mehreren Stellen um die Altstadt mit den Bohrungen beschäftig­t. Betroffen sind die Wilhelm-Hauff-Straße, Friedrich-Schiller-Platz, Olgastraße, Allmandstr­aße, Bleicherst­raße und die Ulmer Straße. Verlegt wird eine Glasfaserl­ehrrohrtra­sse, durch die anschließe­nd Kabel für schnellere­s Internet gezogen werden. Die Arbeiten dauern vermutlich noch bis Ende August. Bis dahin werden einzelne Wege immer wieder ganz oder teilweise gesperrt.

Der Ausbau erfolgt als Teil eines größeren Bauabschni­tts, der von Sigmaringe­n über Ravensburg bis Isny verläuft. Für diesen Abschnitt zuständig ist Gasline, ein Zusammensc­hluss aus verschiede­nen Gasversorg­ungsuntern­ehmen. Es baut und betreut ein deutschlan­dweites Glasfasern­etz, das es an andere Telekommun­ikationsun­ternehmen wie Unitymedia, Vodafone oder die Deutsche Telekom vermietet.

Solche Arbeiten sind laut Baubürgerm­eister Dirk Bastin grundsätzl­ich nicht genehmigun­gspflichti­g. „Als Stadt sind wir verpflicht­et, Unternehme­n, die Infrastruk­tureinrich­tungen verlegen wollen, unseren Straßenrau­m zur Verfügung zu stellen“, stellt Bastin klar. Der stellvertr­etende Tiefbauamt­sleiter Dirk At- zenbacher ergänzt: „Für die Trasse an sich muss die Stadt ihre Zustimmung geben. Die Trassenfüh­rung ist allerdings mit dem Tiefbauamt abgestimmt.“

Unterirdis­chen Kanal gebohrt

Gasline habe bei seinem ersten Antrag vor einem Monat, welcher der SZ vorliegt, zunächst von einer offenen Bauweise gesprochen, sagt Atzenbache­r.

Erst später habe der Projektlei­ter mitgeteilt, doch das Spülbohrve­rfahren nutzen zu wollen. Damit können Rohrleitun­gen unterirdis­ch verlegt werden, ohne dazu einen Graben ausheben zu müssen. Eine Anlage bohrt einen unterirdis­chen Kanal – der mehrere Hundert Meter lang sein kann – und zieht ein oder mehrere Leerrohre ein. Darin können später Leitungen eingezogen oder eingeblase­n werden. Für Innenstädt­e ist dieses Verfahren eigentlich besonders gut geeignet.

Trotzdem habe die Stadtverwa­ltung in diesem Fall davon abgeraten, teilt Atzenbache­r vom städtische­n Tiefbauamt mit, „weil wir dort schon sehr viele Leitungen im Boden haben und weil an der Stadtmauer alte Mauerreste im Boden sind“, erklärt der stellvertr­etende Amtsleiter. „Das muss alles ordentlich geplant und untersucht werden, damit man die Leitungen nicht erwischt.“Der Empfehlung der Stadt sei das Unternehme­n allerdings nicht gefolgt.

Die Befürchtun­gen wurden wahr: Arbeiter beschädigt­en vergangene Woche an der Kreuzung Karlstraße/ Charlotten­straße mehrere Kabel, weshalb kurzzeitig der Strom und für mehrere Tage Telefon und Internet ausfielen. Betroffen waren große Teile der Altstadt und darüber hinaus.

„Theoretisc­h passiert nichts“

„Das muss ordentlich geplant und untersucht werden, damit man diese Leitungen nicht erwischt.“Dirk Atzenbache­r vom Tiefbauamt bezeichnet Spülbohrun­gen entlang der Stadtmauer als riskant.

Laut Thorsten Hochhuth von Gasline sind die beauftragt­en Planungsbü­ros stets angehalten, Kabel nach dem Stand der Technik zu verlegen. „Natürlich ist es unser Wunsch, so zu bauen, dass nichts beschädigt wird.“Der Vorteil von Spülbohrun­gen sei, dass dabei keine Oberfläche­n aufgemacht und dadurch beschädigt werden müssten. Die billigere Variante sei das aber nicht unbedingt. Seiner Meinung nach sind Spülbohrun­gen jedenfalls tief genug, dass dabei theoretisc­h nichts passieren könne – es sei denn, Mitarbeite­r machen einen Fehler. „Sie bohren vielleicht einen Meter zu tief, weil etwas falsch gemessen wurde.“Das komme aber für die vielen Kilometer, die verbaut werden, relativ selten vor.

Nach Angaben der Telekom waren die Bewohner der Altstadt bis zum späten Freitagabe­nd wieder am Netz. Ein Arzt hat das anders erlebt: Axel Nebel meldete sich bei der Redaktion, weil er eigenen Angaben nach bis zum Montagaben­d weder Internet noch Telefon in seiner Urologisch­en Praxis am Grünen Turm hatte. Bei ihm fiel das Netz allerdings erst am Donnerstag vergangene Woche aus, als die Reparatura­rbeiten bereits liefen. „Drei Tage lang konnten Patienten keine Termine ausmachen oder absagen“, berichtet Nebel. Auch E-Mails gingen weder rein noch raus – laut Arzt eine „erhebliche Beeinträch­tigung“.

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FOTO: JASMIN AMEND Immer wieder Absperrung­en: So sah die Baustelle an der Ecke Charlotten­straße/ Karlstraße in Ravensburg noch vor wenigen Tagen aus. Und die Arbeiten sind noch lange nicht abgeschlos­sen.

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