Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Das Sonnen-Dilemma
Wie Kollege A. vergangene Woche an dieser Stelle zu berichten wusste, handeln die meisten Beiträge in dieser Rubrik vom Wetter. Wir wollen diese bewährte Tradition heute fortsetzen, denn a) passiert sonst derzeit nichts (Sommerloch) und b) gibt es eine interessante Information, die wir Ihnen nicht vorenthalten möchten und die c) bestens zu diesem Supersommer passt: Ab Lichtschutzfaktor 8 bildet die Haut kein Vitamin D mehr.
Das ist bedauerlich, denn Vitamin D, eigentlich gar kein Vitamin, sondern die Vorstufe zu einem Hormon, ist wichtig für die Knochenbildung. Kleine Kinder mit Vitamin-D-Mangel können Rachitis entwickeln, ältere Menschen poröse Knochen. Manche Ärzte machen einen lang anhaltenden Vitamin-D-Mangel zudem für unzählige weitere Krankheiten verantwortlich.
Andererseits wird angenommen, dass zu viel Sonnenlicht Hautkrebs verursachen kann, wogegen Sonnenschutzmittel mit immer höheren Lichtschutzfaktoren vorbeugen sollen. Also was tun? Über die Nahrung lässt sich Vitamin D zwar aufnehmen, aber nicht in ausreichenden Mengen, es sei denn, Ihr Lieblingsgetränk ist zufällig Lebertran, und Sie ernähren sich vorzugsweise von fetthaltigen Fischen und Innereien. Die Wirkung von Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel ist umstritten, die einen halten die „Sonnenpillen“für den einzigen Ausweg aus dem Dilemma, die anderen für schnöde Geldmacherei.
Wie so oft im Leben, ist das Richtige wahrscheinlich der goldene Mittelweg: Ruhig auch mal für kurze Zeit ohne Sonnenschutz nach draußen und sich erst nach 10 bis 30 Minuten eincremen, je nach Empfindlichkeit der Haut und Vorbräunung. Oder besser noch: Danach in den Schatten gehen, denn Sonnenbrände sollten selbstverständlich unbedingt vermieden werden.
Der Lebensmittelchemiker Udo Pollmer, der zahlreiche Bücher über Ernährungsirrtümer geschrieben und eine Radiokolumne im Deutschlandfunk hat, empfiehlt einen unverkrampften Umgang mit der Sonne. Auf seinem YoutubeKanal „Das Eule“(Europäisches Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften) warnt er vor Sonnenschutzmitteln und Kosme- tika mit chemischen Lichtschutzfaktoren und stellt einen interessanten Zusammenhang her: Der führende Hersteller ist gleichzeitig einer der größten Produzenten von Vitamin D-Präparaten.
Genießen Sie also die Sonne, aber übertreiben Sie es nicht. Schönes Wochenende!