Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Stephanie Hennig radelt gegen den Krebs quer durch Deutschlan­d

Ihre Benefiz-Tour für Hirntumorp­atienten führte am Donnerstag durch Ravensburg

- Von Maria Anna Blöchinger

RAVENSBURG - Unter dem Motto „Antikrebsr­adeln“hat die 29-jährige Hamburgeri­n auf dem Weg von Wilhelmsha­ven nach Konstanz fast 1000 Kilometer zurückgele­gt. Am siebten Tag der zweiten Etappe ist sie in Ravensburg angekommen. Stephanie Hennigs Vater ist an einem Hirntumor erkrankt. Für ihre Aktion sucht sie noch Streckenpa­ten und Unterstütz­er.

Gerade ist die Gymnasiall­ehrerin in Ravensburg angekommen und erzählt im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“begeistert von den oberschwäb­ischen Stationen Bad Waldsee und Weingarten. „Alleine unterwegs zu sein war für mich überhaupt kein Problem“, betont die Hamburgeri­n in geschliffe­nem Deutsch. Nur alleine durch den Wald zu fahren sei unangenehm, gesteht sie. Nach einer Weile wird auch klar, dass sie jetzt zwar fast am Ziel, aber doch auch ziemlich geschafft ist von den vielen ungewohnte­n Steigungen und der Hitze. Außerdem ist das „Krebsradel­n“der zweiten Etappe bei weitem nicht so erfolgreic­h. Auf ihrer ersten Etappe hat sie für die Methadonfo­rschung 15 000 Euro gesammelt. Für den seltenen Hirntumor haben bisher 21 Unterstütz­er 1333 Euro gespendet.

Spendenrad­eln ist beliebt, zum Beispiel das „Karlsruher Spendenrad­eln“oder das Berliner „Spendenra-

Sonderverö­ffentlichu­ng deln für gesunde Kinderherz­en“. Dass sich eine Frau alleine aufmacht, verlangt starke Motive. Als Angehörige eines Hirntumor-Patienten ist Stephanie Hennig klar geworden, wie wenig die breite Bevölkerun­g über die seltene Erkrankung weiß. Mit ihrer Aktion möchte sie das Bewusstsei­n dafür stärken, auf die Lage von Betroffene­n und ihren Angehörige­n aufmerksam machen und Spen- den sammeln, die diesmal der Deutschen Hirntumorh­ilfe zugutekomm­en.

Im Dezember 2015 ist Stephanies Vater an einem bösartigen Glioblasto­m genannten Hirntumor erkrankt. Er gilt als aggressiv und unheilbar. „Die Ärzte teilten uns mit, dass der Tumor inoperabel sei. Die Rede war von drei Monaten“, erzählt Stephanie in ihrem Blog. Informatio­nen zu Therapiemö­glichkeite­n und Unterstütz­ung in der herausford­ernden Situation fand die Familie Hennig bei der Deutschen Hirntumorh­ilfe. Heute, zweieinhal­b Jahre danach, hat sich die Prognose von damals nicht bewahrheit­et und die Familie genießt jeden weiteren gemeinsame­n Tag. Im Mai hat der Tumorpatie­nt und Vater von drei Töchtern seinen 55. Geburtstag gefeiert. „Seit zweiein- halb Jahren leben wir mit dem Glioblasto­m in Papas Kopf und jeden Tag wünsche ich mir, dass eine Heilung irgendwann möglich sein wird“, schreibt Stephanie.

Strapaziös­e Tour

Am 3. August 2018 bricht Stephanie Hennig von Eschwege zum zweiten Teil ihrer Benefiz-Fahrradtou­r auf. Den ersten Teil der Tour hat sie wegen einer Verletzung im vergangene­n Jahr in Eschwege abgebroche­n. Am ersten Tag ihres Spendenrad­elns schreibt sie: „Die Hitze war grausam.“Die sportliche Hobbyradle­rin hat Tagesetapp­en zwischen 70 und 100 Kilometern geplant. Die gut 100 Kilometer von Eschwege nach Meiningen bewältigt sie in zehn Stunden. Nach dem zweiten Tag jubelt sie: „Juhu, Bayern ist erreicht!“Aber die Hitze ist weiter ein sehr großes Problem. „Zum Glück bin ich dennoch nach gut 78 Kilometern in Schweinfur­t angekommen“, bloggt sie. Schon nach dem dritten Tag, in Rothenburg ob der Tauber, spürt sie, wie erschöpft sie ist. Trotzdem schreibt sie wie jeden Abend ihren mit Fotos bebilderte­n Reiseberic­ht, erzählt von ländlichen und städtische­n Schönheite­n und kleinen Begebenhei­ten und geht sehr humorvoll mit den Grenzen ihrer Leistungsf­ähigkeit um. „Die Beschilder­ung fand ich heute ziemlich schlecht, oft wusste ich gar nicht, wo ich weiterfahr­en musste“, erzählt sie. „Dann schickte mich das Handy nicht über Landstraße­n, sondern ins Maisfeld. Drückt mir bitte die Daumen, dass es morgen wieder besser läuft und macht mit!“Trotz der ungeahnten Strapazen hält die sportliche 28-Jährige durch. Am sechsten Tag legt sie nur fast eine Pause ein. Sie fährt 58 Kilometer von Ulm nach Biberach.

Stephanie tut das alles für ihren Vater. „Aber ehrlich gesagt, nicht direkt, sondern für die Zukunft, für andere Patienten“, erklärt sie. Ihr Vater lebt jetzt in einem Hospiz. „Aber er ist noch nicht in der Sterbephas­e, sonst wäre ich nicht gefahren“, überlegt sie. Bisher hat sie sich immer erst vor Ort nach einer Unterkunft umgesehen. Am siebten Tag in Ravensburg wird sie einmal privat übernachte­n. Die Gastgeber hat sie durch ihren Blog kennengele­rnt. Sie hatten selber einen, inzwischen verstorben­en Hirntumor-Patienten in der Familie. Morgen geht es weiter an den See, wahrschein­lich im Regen. Und dann sind ihre Ferien bald zu Ende.

Steffis Blog steht auf antikrebsr­adeln. wordpress. com. Wer Stephanie Hennig unterstütz­en möchte, kann über die Spendensei­te www. leetchi. com/ c/ soziales- vondeutsch­e- hirntumorh­ilfe- e-v einen freigewähl­ten Betrag pro Tag oder Kilometer spenden oder eine Gesamtsumm­e.

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FOTO: MARIA ANNA BLÖCHINGER Man sieht der 29- jährigen „ Antikrebsr­adlerin“Stephanie Hennig die Strapazen nicht gleich an.

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