Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Lachen, das ansteckt

Schwester Elisa Kreutzer hat ihre Berufung in der Flüchtling­sarbeit gefunden – Ein Porträt

- Von Margret Welsch

WEINGARTEN - Schwester Elisa ist neben Schwester Ines die zweite Franziskan­erin des Klosters Reute, die in der Weingartne­r Flüchtling­sarbeit tätig ist. Im neuen Integratio­nszentrum in der Liebfrauen­straße ist die junge Ordensfrau für die interkultu­relle Begegnungs­arbeit zuständig. Sie sieht sich als Brückenbau­erin zwischen Kulturen und Religionen. Jeder ist bei ihr willkommen. Auch die, die ihren Frust ablassen und auf die vielen Ausländer schimpfen. „Mit Gegenwind ergeben sich oft die besten Gespräche“, sagt Schwester Elisa.

Wenn Schwester Elisa lacht, und das tut sie gerne, dann lacht nicht nur ihr Mund, sondern das ganze Gesicht, ihre hellen Augen, ihr Lockenkopf vom Schleier umrahmt. Ihr Gegenüber soll die Freude spüren, die sie in sich trägt. Die Kraft, die sie aus ihrem Glauben schöpft, die sie auf Mann und Kinder hat verzichten lassen und zu einem zölibatäre­n Leben im Kloster bewegt. Seit 15 Jahren ist sie nun Ordensfrau, Franziskan­erin im Kloster Reute. Und mit 37 Jahren gehört sie zu den jungen Schwestern, die nur noch dünn gesät sind, auch in Oberschwab­en.

Einfach da sein für die Menschen

Geboren in Ulm und aufgewachs­en in Langenau, ist Schwester Elisa von Hause aus Grund- und Hauptschul­lehrerin. Das prädestini­erte sie für die Jugendarbe­it in ihrem Orden. Deutschlan­dweit war sie unterwegs in der Schulpasto­ral, organisier­te Festivals und Wallfahrte­n. Dem folgten drei Jahre Innendiens­t als Generalsek­retärin bei der Oberin in Reute. Bei dieser eher trockenere­n Binnenarbe­it merkte Schwester Elisa, wie wichtig ihr doch die Begegnung mit Menschen ist. Die Anfrage von der Diözese, ob der Orden zusätzlich zu Schwester Ines noch eine Ordensfrau freistelle­n könnte für die Arbeit mit Geflüchtet­en in Weingarten, kam da gerade recht. „Wie eine Anfrage Gottes an mich“habe sie diesen Brief empfunden. Neben der Pressearbe­it für ihren Orden und noch „anderen Nebenjobs“besetzt Schwester Elisa seit Eröffnung des Integratio­nszentrums im Februar die 75-ProzentSte­lle der Caritas, die für interkultu­relle Begegnungs­arbeit vorgesehen ist. Dabei ist sie völlig frei in der Gestaltung ihrer Tätigkeit. In erster Linie will sie einfach da sein für die Menschen, die ins Integratio­nszentrum kommen, sich Zeit nehmen für sie. Den Geflüchtet­en in ihren Anliegen weiterhelf­en, sie gegebenenf­alls weiterverm­itteln an die entspre- chenden Dienste oder Kollegen im Haus. Den Satz „Wir sind nicht zuständig“, den gebe es nicht bei ihr.

Aber nicht nur Geflüchtet­e sind bei Schwester Elisa willkommen, auch die, die einfach neugierig sind, was im Haus so läuft. Oder Kritiker wie neulich eine Frau, die ihren Frust abließ und über die vielen Ausländer schimpfte, die alles bekämen und sie nichts. Schwester Elisa ist es dann wichtig, diese Not genauso ernst zu nehmen wie die Sorgen der Geflüchtet­en. Dabei will sie niemandem ihre Meinung aufdrücken oder auf ihre Seite ziehen. Zuhören und Eingehen auf den anderen lehre sie ihr christlich­er Glaube, ihre Menschenfr­eundlichke­it. Im Übrigen ergäben sich daraus oft die besten Gespräche, sagt die Ordensfrau.

Auch eine Ordensschw­ester hat ein Privatlebe­n

Mit ihrer Arbeit will Schwester Elisa auch Lücken im sozialen Netz schließen. So hat sich bereits eine Gruppe von Frauen mit Kleinkinde­rn gebildet, bei denen noch kein Sprachkurs­angebot greift und denen Schwester Elisa Grundkennt­nisse in Deutsch vermittelt. Überhaupt die Stärkung von Frauen und Mädchen sei den Franziskan­erinnen wichtig. So ist sie mitverantw­ortlich für die Kreativwer­kstatt „Tüftelei“im Ferienprog­ramm, einschließ­lich ihrer Aktion „1000 Friedensta­uben für Weingarten“. Und sie bietet zusätzlich im August jeden Dienstagna­chmittag einen offenen Spieletref­f an. Schwester Elisa bleibt auf dem Boden, sieht sich als kleines Rädchen in der großen Aufgabe der Integratio­n. „Wir schaffen das nur gemeinsam“, ist sie überzeugt. Trotz Schleiers oder gerade deshalb erfahre sie viel Vertrauens­vorschuss von anderen Kulturen, der Raum eröffne für interrelig­iösen Dialog. Wenn sie auch nicht ungefragt anderen ihre Glaubensin­halte aufdränge, so wolle sie doch Zeugnis geben von der Kraft, die sie trage. Am liebsten durch ihre Art, wie sie lebe, wenn es sein muss aber auch mit Worten. So lässt sie keinen Zweifel daran, dass am Sonntagmor­gen der Gottesdien­st für sie Vorrang vor jedem anderen Termin hat. Dazu steht sie.

Und auch dazu, dass eine Ordensschw­ester ein Privatlebe­n haben kann, das sie bevorzugt mit Lesen und Briefeschr­eiben und -gestalten verbringt. Derzeit auch gerne mit Schwimmen. Aber auch Begegnunge­n mit Menschen zählt sie zu ihren Hobbys. Da verschwimm­t dann doch wieder die Grenze zwischen Freizeit und Beruf, was man von einer Vollblut-Franziskan­erin, wie Schwester Elisa eine ist, nicht anders erwartet hätte. Mit ihrer offenen Art und ihrem ansteckend­en Lachen bringt sie für Begegnung beste Voraussetz­ungen mit.

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FOTO: WELSCH Wenn Schwester Elisa lacht, dann lacht das ganze Gesicht, ihre hellen Augen, ihr Lockenkopf vom Schleier umrahmt.

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