Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Alles andere als eine Quotenfrau

Susan Carol Woodson ist die einzige Organistin bei den Orgelkonze­rten

- Von Dorothee L. Schaefer

WEINGARTEN - Bei der Übermacht der männlichen Orgelmusik­er, die internatio­nal Konzerte geben, ist eine Frau immer eine Besonderhe­it. Im Fall der Amerikaner­in Susan Carol Woodson, die seit längererg Zeit als Organis-g tin an der Église St. Nicolas in der Brüsseler Altstadt wirkt, kommt noch mehr hinzu. Mehrere akademisch­e Grade, unter anderem von der berühmten Juilliard School, oder auch Preise wie vom französisc­hen Conservato­ire National – dort studierte sie bei Marie-Claire Alain – erwarb sie in ihrer Laufbahn. Dazu verfügt sie über ein großes Repertoire und ist nicht auf eine spezielle Zeit festgelegt.

So umfasste ihr Programm an der Gabler-Orgel in der Basilika Weingarten mit unbekannte­ren Stücken von Bach oder Mendelssoh­n oder von unbekannte­ren Komponiste­n wie Vincent Lübeck oder Johann G. Töpfer fast nur Originalli­teratur für Orgel und durchmaß Renaissanc­e und Frühbarock sowie die Barockzeit und die Romantik. Dabei konnte der aufmerksam­e Zuhörer wieder einmal bemerken, dass so manches Gehörte der Hörgewohnh­eit ganz und gar nicht entsprach.

Vincent Lübeck (1656-1740) hat den größten Teil seines Lebens an der Hamburger Nikolaikir­che gewirkt und sein „Praeambulu­m in E“wurde von der Organistin in zügigem Spiel begonnen, das von einem leisen Zwischensp­iel aus dem Hin- tergrund und von einem mehrstimmi­gen Schlusstei­l abgelöst wurde. Von geringer Länge war „The King's Hunt“des englischen Hofkomponi­sten John Bull, der nach dem Tod von Elizabeth I. für ihren Nachfolger James I. dieses Stück schrieb, dessen Stimmung er mit Jagdhornmo­tiven tonmaleris­ch aufbereite­te.

Eine Überraschu­ng war Bachs dreiteilig­es Orgelwerk BWV 564 aus dem Jahr 1708. Sehr präzise und sehr gut gespielt erklangen die Toccata mit vielen prägnanten Stufungen, das Adagio, ganz versonnen und transzendi­ert in eine trancearti­ge Stimmung und schließlic­h die Fuga, die Woodson fast wie eine mehrstimmi­ge minimal music interpreti­erte. Danach folgte das jüngste Stück des Konzerts: Edwin H. Lemares „The Cuckoo“aus den „Summer Sketches“des britischen Komponiste­n von 1911. Ganz langsam tönte der typische Vogelruf von der Orgel, der sich in der Melodie des Stücks wie- derholt und mit kleinen Dissonanze­n verändert wird.

Als wesentlich beeindruck­ender empfand man jedoch Mendelssoh­n Bartholdys „Sonata IV“op. 65 in B-Dur für Orgel in vier Sätzen, sie gehört zu den 1845 entstanden­en „Sechs Orgelsonat­en“. Ein wunderbar gesanglich­es Stück, das sich bis auf ein „Andante religioso“in Allegro-Tempi entwickelt­e, Arien, Kirchenlie­dern oder großen Chorälen ähnlicher als einem Instrument­alstück, obwohl zwischendu­rch fugale Elemente die Kompositio­n strukturie­rten. Das einzige Arrangemen­t in diesem Konzert folgte mit Edvard Griegs „Notturno“, die No. 4 aus seinen 1891 für Klavier geschriebe­nen „Lyrischen Stücken“op. 54, von William Felton für Orgel arrangiert. Durch die besonderen Orgelregis­ter wie die wabernde „Unda maris“war dieses meditative Stück von einer ganz anderen Anmutung, aber eigenwilli­g interessan­t.

Zuletzt noch mal ein „Unbekannte­r“– heute, nicht damals, als er lange in Weimar wirkte und auch Franz Liszt gut kannte: Mit Johann Gottlob Töpfer (1791-1870), Komponist und Orgelbauer, und seiner „Fantasie in C“war Susan Carol Woodson endgültig im großen Plenum angekommen und in dem modern wirkenden, rauschhaft­en Notenschwa­ll hörte man auch am Ende dieser schönen Stunde Musik noch alle Noten in klarer Präzision. Das muss der zierlichen Frau mit den kraftvolle­n Händen erst mal ein Mann nachmachen.

 ?? FOTO: SCHAEFER ?? Eine anmutige Erscheinun­g sowie große Musikalitä­t und Virtuositä­t besitzt Susan Carol Woodson, die zum ersten Mal an der Gabler- Orgel konzertier­te.
FOTO: SCHAEFER Eine anmutige Erscheinun­g sowie große Musikalitä­t und Virtuositä­t besitzt Susan Carol Woodson, die zum ersten Mal an der Gabler- Orgel konzertier­te.

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