Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Steuern als Standortrisiko
Ifo-Studie: Im weltweiten Wettbewerb um die steuerlich attraktivsten Standortbedingungen verliert Deutschland an Boden
RAVENSBURG - Deutsche Unternehmen fürchten angesichts international sinkender Unternehmenssteuersätze erhebliche Wettbewerbsnachteile. Zu diesem Befund kommt eine aktuelle Studie des Münchener IfoInstituts, die im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen durchgeführt wurde. In der bislang größten Befragung ihrer Art wurden 1250 deutsche Unternehmen zum neuen Steuerwettbewerb befragt. Die Antworten setzen Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und die schwarz-rote Koalition unter Druck, ebenfalls eine Unternehmenssteuerreform auf den Weg zu bringen – so wie es die Vereinigten Staaten, Frankreich, Großbritannien und zahlreiche weitere Staaten in den vergangenen Monaten beschlossen oder bereits umgesetzt haben.
„Die Bundesregierung sollte die Ergebnisse als Weckruf ansehen, nach Jahren des Stillstands die steuerliche Attraktivität von Deutschland als Unternehmensstandort zu steigern“, fordert Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Einer Rangliste der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zufolge findet sich Deutschland auf Platz fünf der Staaten mit den höchsten Unternehmenssteuersätzen. Während der durchschnittliche nominale Steuersatz hierzulande bei knapp 30 Prozent liegt, ist er in den Vereinigten Staaten mit 25 Prozent und in Großbritannien mit 19 Prozent deutlich niedriger. „Nötig wäre eine Senkung der Steuerbelastung für Unternehmen in Deutschland um mindestens fünf Prozentpunkte, um faire Bedingungen herzustellen“, so Kirchdörfer. Auch die Autoren des Ifo-Instituts empfehlen eine Unternehmenssteuerreform in Deutschland.
Aus Sicht der Wirtschaft ist überraschenderweise aber nicht die Höhe der Steuersätze in Deutschland das gravierendste Problem, sondern die Steuerbürokratie. Der Zeitaufwand, den Unternehmen für Steuern benötigen, ist der Studie zufolge deutlich gestiegen. 70 Prozent der Manager wünschen sich deshalb, künftig weniger Zeit aufwenden zu müssen, bis alle Informationen für das Finanzamt zusammengesammelt sind. Eine Senkung der Unternehmenssteuersätze rangiert auf der Liste der Steuerprioriäten dagegen erst auf Platz drei.