Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Wann eine Haartransplantation infrage kommt
Tausende Deutsche machen es pro Jahr – Der Eingriff sollte nur von spezialisierten Ärzten vorgenommen werden
DÜSSELDORF/BONN (dpa) - Lichte Stellen, Geheimratsecken oder eine Halbglatze gehörten früher zum Älterwerden dazu. Schicksal, nichts zu machen. Heute ist das anders. Immer mehr Frauen und Männer entscheiden sich inzwischen für eine Haartransplantation. 2016 wurden weltweit etwa 600 000 Haartransplantationen durchgeführt, davon etwa 80 000 in Europa. Im Vergleich zu 2014 ist das ein Plus von 40 Prozent.
Bei der Eigenhaartransplantation werden eigene Haarwurzeln aus einer dicht behaarten Kopfzone entfernt und in kahle Stellen verpflanzt, erklärt Frank Neidel, Präsident des Verbands Deutscher Haarchirurgen. Nicht nur der Schopf, auch Augenbrauen, Wimpern und Barthaare können nach einer Transplantation wieder wachsen.
Neidel geht davon aus, dass in Deutschland pro Jahr mindestens 4000 solcher Verpflanzungen vorgenommen werden. Weil von erblich bedingtem Haarausfall in erster Linie Männer betroffen sind, sind sie es auch, die sich der Prozedur überwiegend unterziehen. „Nur 15 Prozent aller Haarverpflanzungen werden bei Frauen gemacht“, sagt Privatdozent Klaus Walgenbach, Ärztlicher Leiter der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie am Universitätsklinikum Bonn und Sprecher des dort angesiedelten Kompetenzzentrums Haar.
Ob die Methode infrage kommt, hängt unter anderem von der Ursache für den Haarausfall ab. „Auslöser können neben erblich bedingtem Haarausfall und Hormonschwankungen während der Wechseljahre auch bestimmte Krankheiten, Mangelernährung oder Medikamente sein“, erklärt Anke Kapels von der Stiftung Warentest. Steckt etwa eine Krankheit hinter dem Haarausfall, wachsen die Haare irgendwann wieder. Deswegen sollten Betroffene die Ursache unbedingt von einem Arzt abklären lassen, betont Walgenbach.
Intensiv beraten lassen
Zweite Voraussetzung ist, dass überhaupt noch genügend funktionierende Follikel mit Haarwurzeln existieren. Meist findet der Arzt am Kopf im seitlichen oder hinteren Bereich Haarwurzeln, die dann in der Regel überall dorthin transplantiert werden können, wo eine dichtere Behaarung gewünscht ist.
„Wichtig sind eine intensive Beratung und Aufklärung des Patienten vor dem Eingriff“, erklärt Walgenbach. Eine Haartransplantation ist nicht immer empfehlenswert und möglich. Ist etwa eine Glatzenbildung schon weit fortgeschritten, dann kann es schlicht zu wenig Spenderhaare für eine ausreichende Abdeckung geben. „Andererseits gibt es auch Patienten, bei denen selbst bei einem kleinen Haarkranz noch ein gutes Resultat erreicht wird“, so Neidel. Ob dies der Fall ist, kann der Arzt mit einer Analyse der Haardichte im Spenderareal vor der Behandlung ausloten.
Der Eingriff selbst erfolgt ambulant. Der Patient wird in einen Dämmerschlaf versetzt. Unter örtlicher Betäubung entnimmt der Arzt gesunde haarproduzierende Wurzeln und verpflanzt sie.
Bei der Entnahme gibt es zwei Techniken: Bei der Streifenentnahme wird ein schmaler Hautstreifen mit Haaren und Haarwurzeln entfernt und unter einem Mikroskop zerteilt. Bei der Einzelhaarentnahme werden gleich die einzelnen Haarwurzeln vorsichtig herauspräpariert. „Das erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung des Operateurs“, betont Walgenbach. An der haarlosen Stelle werden dann mit einem Skalpell Mikrokanäle gesetzt. Mithilfe einer Pinzette setzt der Arzt die entnommenen Haarwurzeln vorsichtig ein. Die Sitzung kann sechs bis acht Stunden dauern.
Nach der Verpflanzung passiert erst einmal nichts. Die Haarwurzeln ruhen, nach zwei bis sechs Wochen fallen die ersten feinen Härchen wieder aus. Etwa drei bis vier Monate später legen die Wurzeln los und produzieren kräftiges Haar. Aber immer und ewig hält das Ergebnis nicht unbedingt. „Je jünger der Patient, desto höher sind die Folgekosten“, sagt Neidel. Haarausfall ist ein lebenslanger Prozess.
Die Kosten einer Haartransplantation liegen bei mehreren Tausend Euro, in aller Regel gewähren die Krankenkassen keine Zuschüsse. Oft machen ausländische Institute im Internet Werbung mit weitaus günstigeren Preisen – hier ist jedoch Vorsicht geboten. Scharlatane gibt es zwar auch in Deutschland. Doch hierzulande hat man die Möglichkeit, bei der Ärztekammer Informationen über den behandelnden Arzt einzuholen.