Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Kern will EU-Spitzenkandidat werden
Entscheidung stürzt die österreichischen Genossen in eine Führungskrise
WIEN - Österreichs Ex-Kanzler Christian Kern will um das Amt des nächsten EU-Kommissionschefs kandidieren. Sein Rücktritt auf Raten stürzt die SPÖ in eine Führungskrise, die jetzt verzweifelt einen Nachfolger sucht.
Rücktrittsgerüchte über SPÖChef Christian Kern gab es seit dem Verlust der Parlamentswahl im Herbst 2017 immer wieder. Doch nun kam sein Entschluss doch einigermaßen überraschend. Kern erklärte, er wolle bei der Europawahl im Mai 2019 als Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten (SPE) kandidieren und die Führung der SPÖ in den nächsten Monaten abgeben.
Der ehemalige Bahnchef Kern hatte im Mai 2015 den glücklosen Werner Faymann als Parteichef und Kanzler abgelöst. Kern galt als Hoffnungsträger einer lahmenden SPÖ. Doch dann kam der Machtwechsel beim konservativen Koalitionspartner ÖVP, die für die Parlamentswahl im Herbst 2017 den erst 30-jährigen Sebastian Kurz als Kanzlerkandidaten aufstellte. Kern verlor deutlich und nach 21 Monaten, der kürzesten Amtszeit seit 1945, musste er den Kanzlerposten für Kurz räumen.
Die Aussicht auf eine EuropaKarriere soll die unvernarbte Wunde heilen. Kern hofft, dass ihn die europäischen Schwesterparteien, die derzeit neben dem EU-Gipfel der Staatsund Regierungschefs ebenfalls in Salzburg tagen, als Spitzenkandidaten aufstellen. Der bisher einzige Konkurrent ist der slowakische Sozialdemokrat Maros Sefc ovic . Nach der Europawahl haben die Spitzenkandidaten der größten Fraktionen gute Chancen, Nachfolger von EUKommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu werden. Bei der EVP hat sich der deutsche Manfred Weber (CSU) um die Spitzenkandidatur beworben.
Der 52-jährige Kern schmiss seine gesicherte Wiederwahl als Parteichef hin, ohne die Nachfolge auch nur andeutungsweise zu regeln. Der am 6. Oktober geplante Parteikongress muss nun auf Ende November verschoben werden.
Christian Kern ist am heutigen Donnerstag Gast beim Bodensee Business Forum (BBF) der „Schwäbischen Zeitung“in Friedrichshafen.