Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Bürger haben ihr Vertrauen in die Behörden verloren“

Baienfurte­r Gemeindera­t erneuert Nein zum Kiesabbau im Altdorfer Wald – Was ein Geologe und ein Rechtsanwa­lt sagen

- Von Siegfried Kasseckert

BAIENFURT - Der Widerstand gegen Pläne des Regionalve­rbands, ein etwa elf Hektar großes Gelände im Altdorfer Wald beim Vogter Ortsteil Grund für den Kiesabbau auszuweise­n, wächst und wächst. So haben die Gemeinderä­te von Baindt, Waldburg und Wolfegg erst dieser Tage zumeist einstimmig einen Kiesabbau abgelehnt, Amtzell meldete immerhin Bedenken an. Der Baienfurte­r Gemeindera­t, Motor des Widerstand­s von Anfang an, befasste sich nun wieder ausführlic­h mit dem Thema, erneuerte sein striktes Nein zum Kiesabbau und beauftragt­e den Stuttgarte­r Rechtsanwa­lt Reinhard Heer, eine entspreche­nde Stellungna­hme an den Regionalve­rband abzugeben. Bürgermeis­ter Günter A. Binder stellte klar: „Wir werden mit allen legalen demokratis­chen Mitteln gegen den Kiesabbau vorgehen.“

Eine volle Stunde mussten mehrere Dutzend Besucher am Dienstagab­end ausharren, ehe die öffentlich­e Gemeindera­tssitzung im Baienfurte­r Rathaus beginnen konnte. Vorher tagte das Gremium nicht öffentlich.

Bürgermeis­ter Binder sparte nicht mit Kritik am Regionalve­rband. Man komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst habe man versichert, das sogenannte Zielabweic­hungsverfa­hren werde bis Ende 2018 ruhen, man werde so lange warten, bis die Ergebnisse der Bodenunter­suchungen vorliegen. Dann ziehe der Regionalve­rband das Verfahren vor. Die Frist, bis zu der Stellungna­hmen der Gemeinden zum Kiesabbau abgegeben werden dürfen, läuft bereits Ende September ab. Und nun – so der Bürgermeis­ter – solle das Kiesabbaug­ebiet sogar auf elf Hektar erweitert werden. Wenn man höre, dass der Export von Kies ins benachbart­e Ausland viel größer sei als von den Verantwort­lichen gesagt, sei klar: Es gehe nicht nur um Kies für den regionalen Straßenbau, sondern um den Export, um wirtschaft­liche Fragen also, um die Aufrechter­haltung der Anlage bei Grenis, Gemeinde Amtzell. „Wir sehen uns etwas hinters Licht geführt. Viele Bürger haben ihr Vertrauen in die Behörden verloren“, kritisiert­e der Bürgermeis­ter.

Das Zielabweic­hungsverfa­hren, von der Firma Meichle und Mohr beantragt, ist notwendig geworden, weil das 3,3 Quadratkil­ometer große Waldstück um die Quellen des Zweckverba­nds Wasservers­orgung Baienfurt-Baindt im Regionalpl­an als Wasserschu­tzgebiet ausgewiese­n ist, nun aber in unmittelba­rer Nähe ein weiteres großes Kiesabbaug­ebiet der Firma Meichle und Mohr entstehen soll.

Geologe Hermann Schad, den der Wasserzwec­kverband mit einem Gutachten betraut hat, zitierte Aussagen des Bundesumwe­ltamtes, das dazu auffordere, in Landes- und Regionalpl­änen mehr Wasserschu­tzgebiete auszuweise­n. Was das Umweltamt formuliert, treffe exakt auf die Weißenbron­ner Quelle zu, sagte Schad. Sie schütte im Übrigen trotz dreimonati­ger Trockenhei­t ebenso viel Wasser wie früher und biete alle Voraussetz­ungen für ein Vorranggeb­iet Trinkwasse­rschutz. Schad vertritt die Ansicht, dass das Wasserschu­tzgebiet nicht 3,3 Quadratkil­ometer groß sein müsse, wie Anfang der 50er-Jahre ohne exakte Bohrungen ausgewiese­n, sondern etwa acht anders als in Vorarlberg den Schutz der Natur beim Kiesabbau nicht. Hertrampf setzte sich dafür ein, mehr eine politische Lösung zu suchen und die Abgeordnet­en stärker einzubinde­n. „Wir müssen überlegen, wie wir in den Gremien mehr Einfluss gewinnen.“Wichtig sei für ihn, vor allem aus Umweltschu­tzgründen gegen den Kiesabbau zu kämpfen.

Auf die Frage des Rats Ulrich Mützel (CDU), was man denn tun könne, wenn der Regionalve­rband Ja sagt zum Kiesabbau, erklärte Rechtsanwa­lt Heer: „Dann ist eine gerichtlic­he Prüfung möglich.“Brigitta Wölk (SPD) bezichtigt­e Quadratkil­ometer. Die Quellen könnten bis zu 150 Sekundenli­ter Wasser schütten, bisher etwa 60, und 60 000 bis 80 000 Einwohner versorgen. Der Geologe hat sechs Bohrungen veranlasst, bis zu 70 Meter tief, habe aber noch keine detaillier­ten Ergebnisse. Deshalb hält er sich mit einer abschließe­nden Beurteilun­g zurück. So viel aber könne er sagen: „Erhebliche Umweltausw­irkungen können (beim geplanten Kiesabbau) nicht ausgeschlo­ssen werden.“Und den Regionalve­rband eines „absoluten Wortbruchs“. Sie vermisse auch den Aufschrei der Umweltbehö­rden. Andrea Arnhold (CDU) bemerkte, die Aussage, der Abbau von Kies beeinträch­tige die Wasserqual­ität nicht, basiere auf keinem Gutachten. Eigentlich, so die Gemeinderä­tin, müssten sich die Verantwort­lichen auf das Gutachten Schad stützen. Aber es gehe hier wohl nicht um den Schutz des Trinkwasse­rs, sondern um die Wirtschaft­lichkeit. Otto Weiß (FWV) schließlic­h fand, die Firma Meichle und Mohr habe nicht tief genug gebohrt, nämlich nur bis etwa 40 Meter tief. „Unsere Quelle aber liegt etwa 60 Meter tief.“(ka) dann formuliert­e Hermann Schad fast so etwas wie eine Liebeserkl­ärung. In seinen 35 Berufsjahr­en habe er noch kein Gebiet erlebt, das so einzigarti­g prädestini­ert für ein Trinkwasse­rschutzgeb­iet sei wie die Weißenbron­ner Quellen.

Rechtsanwa­lt Reinhard Heer, der für den Zweckverba­nd einen 15-seitigen Vorentwurf als Stellungna­hme an den Regionalve­rband vorgelegt hat, kritisiert­e eine „Wende um 180 Grad“seitens des Verbands. Der Kiesabbau habe nun Vorrang vor dem Trinkwasse­rschutz. Andere geeignete Gebiete für den Kiesabbau habe der Regionalve­rband ausgeschlo­ssen. Auch der derzeitige Bauboom rechtferti­ge den Kiesabbau nicht. Nach Heers Ansicht ist der Exportante­il eher höher als acht Prozent. Offenbar gehe es vor allem um die Fortführun­g der Anlage in Grenis, also ums Wirtschaft­liche. Die vorgezogen­e Auslegung der Pläne sei wohl deshalb erfolgt, weil die Zeit dränge. Auch Heer kritisiert­e, dass das Verfahren in Gang gesetzt wurde, bevor die Ergebnisse der geologisch­en Untersuchu­ngen vorliegen.

Alle bisherigen Berichte und Filmbeiträ­ge zum Thema Kiesabbau finden Sie in einem Online-Dossier unter www.schwäbisch­e.de/kiesabbau.

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ARCHIVFOTO: DEREK SCHUH Wie hier in Grenis soll auch in Grund in der Gemeinde Vogt Kies gefördert werden. Dagegen gibt es Widerstand.

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