Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Rodtschenkow befürchtet „Katastrophe für den sauberen Sport“
Der Whistleblower ist bei Weitem nicht der Einzige, der die Kehrtwende der Welt-Anti-Doping-Agentur in Sachen Russland nicht versteht
BERLIN (SID) - Athleten und Sportpolitiker sind entsetzt, die Anti-Doping-Agenturen vieler Länder schlagen Alarm: Die geplante Wiederaufnahme der russischen Anti-DopingAgentur RUSADA und die damit verbundene Rehabilitation der Dopinggroßmacht Russland durch die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA am Donnerstag bei der Exekutivsitzung auf den Seychellen sorgen weltweit für Unverständnis.
„Das ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden sauberen Athleten“, sagte Travis Tygart, Chef der US-Anti-Doping-Agentur USADA. Whistleblower Grigorij Rodtschenkow, der die Aufdeckung des Dopingskandals in Russland ins Rollen gebracht hatte, sprach von einer „Katastrophe für den sauberen Sport“. Wegen der Suspendierung der RUSADA sind die russischen Leichtathleten und Behindertensportler aus ihren Weltverbänden IAAF beziehungsweise IPC ausgeschlossen. Das könnte sich mit der RUSADA-Wiederaufnahme ändern.
Der unabhängige CompliancePrüfungsausschuss CRC hatte am Freitag überraschend der WADA empfohlen, die RUSADA nach drei Jahren wieder aufzunehmen. Grund, so der CRC, sei, dass die RUSADA die noch offenen elementaren Bedingungen erfüllen werde. Zuvor hatte der CRC einen Brief des russischen Sportministeriums erhalten, in dem in Aussicht gestellt wurde, man werde die Ergebnisse des Schmid-Reports über Doping in Russland anerkennen. Für den weiteren strittigen Punkt, den Zugang zum Moskauer Anti-Doping-Labor, soll es einen konkreten Zeitplan geben.
Tatsächlich jedoch war die WADA auf Russland zugegangen. Aus einem Schreiben Reedies an den russischen Sportminister Pawel Kolobkow vom 22. Juni geht hervor, dass die Agentur vor allem beim Kriterium „Zugang zum Moskauer Dopinglabor“Zugeständnisse gemacht hat. Ein unabhängiges Gremium, nicht die WADA, soll die Kontrollen durchführen – und zwar erst einer Wiederaufnahme der RUSADA. Zudem mussten die Russen plötzlich auch nicht mehr den McLaren-Report, sondern nur noch den weniger strikt formulierten IOCReport Samuel Schmids anerkennen.