Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Lust am Untergang
Die SPD ist offenbar von allen guten Geistern verlassen, denn die Sozialdemokraten machen die Koalitionskrise kurzerhand zu ihrer eigenen. Ja, Andrea Nahles hat einen Fehler gemacht. Denn die ultimative Forderung der SPD-Chefin nach einem Rauswurf des höchst umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen ging nun schwer nach hinten los.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hat im Machtpoker um die Personalie die klar besseren Nerven bewiesen. Schließlich konnte der CSUVorsitzende davon ausgehen, dass die SPD-Vorsitzende angesichts der erschreckend schwachen Umfragewerte ihrer Partei die Große Koalition nicht platzen lassen und keine Neuwahlen riskieren würde. Seehofer dagegen wäre ein solches Manöver durchaus zuzutrauen.
Nein, Nahles hat sich nicht leichtfertig düpieren lassen, sondern Schlimmeres verhindert. Ein Bruch des schwarz-roten Regierungsbündnisses, noch dazu wegen der Personalie Maaßen, hätte nicht nur für Union und SPD fatale Folgen gehabt und den Absturz der Volksparteien weiter beschleunigt. Ein solcher Schritt würde Extremisten und Populisten weiteren Auftrieb geben. Diejenigen, die jetzt in der SPD die Parteichefin angreifen und infrage stellen, die lieber heute als morgen aus der Regierung aussteigen würden, schaden ihrer Partei jedenfalls gewaltig.
Das größte Problem an der Sache: Unter den führenden Sozialdemokraten herrscht weiterhin große Zwietracht. Die Meinungen über den richtigen Kurs der Partei gehen weit auseinander – und das bereits seit Längerem, nicht erst jetzt in der Causa Maaßen. Die SPD-Führung tut sich schwer damit, frühere sozialdemokratische Milieus, insofern diese überhaupt noch existieren, weiter zu erreichen. Und ein Personalproblem haben sie auch: Genossen vom Format eines Kurt Schumacher, Willy Brandt, Helmut Schmidt und vielleicht auch Gerhard Schröder sucht man dieser Tage vergeblich. Bei einigen Sozialdemokraten herrscht offenbar die Lust am Untergang.