Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Und immer wieder die weibliche Figur
Doppelausstellung in Bad Waldsee und Mochental zum 110. Geburtstag von Paul Heinrich Ebell
BAD WALDSEE/MOCHENTAL - Paul Heinrich Ebell (1908 - 1998) gilt als einer der Wegbereiter moderner Kunst in Oberschwaben. Während nach dem Zweiten Weltkrieg die abstrakte Malerei in Deutschland dominiert, findet der Künstler und Kunsterzieher aus Bad Waldsee für sich eine eigene Position zwischen Figuration und Abstraktion. Eine wichtige Rolle spielen dabei einerseits die Farbe Schwarz und andererseits zarte Aquarellfarben. Das Kornhaus in Bad Waldsee und die Galerie Schloss Mochental bei Ehingen widmen derzeit Ebell zum 110. Geburtstag eine Doppelschau, die sich wunderbar gegenseitig ergänzt. Wer den ganzen Ebell erleben will, der sollte sich unbedingt beide Ausstellungen anschauen.
Wegzeichen besonderer Art sind seine Holzschnitte. Denn Ebell sprengt den Rahmen, der ein Bild begrenzt, und setzt seine figuralen, meist schwarzen Zeichen frei ins weite, weiße Blatt. Jeder Druck wirkt dadurch wie ein großer Stempel. Anfangs tauchen noch Durchbrüche und Einschnitte auf, später wird die Fläche kompakter. Seine Motive findet Ebell in uralten Symbolen: Windrose, Sonne, Mond, Baum. Und immer wieder ist da die weibliche Figur. Zugleich blitzt in seinen Holzdrucken bisweilen das Erzählerische auf.
Holzmaserung arbeitet mit
Im Kornhaus in Waldsee sind ganze Serien aus den 1970er- und 1980erJahren zu sehen. Sämtliche Blätter stammen aus dem Privatbesitz von Ursula Hirrlinger. Sieht man sich die Arbeiten von Nahem an, dann entdeckt man, dass es Ebell darauf ankam zu zeigen, woraus der Druckstock war: aus Holz. Die Maserung arbeitet also am Ausdruck mit.
Ein besonders gelungenes Motiv ist seine „Wacholderfrau“, eine Figur halb Mensch, halb Pflanze, die zu tanzen scheint. Statuenhaft wirkt im Vergleich dazu seine bezaubernde „Aglaia“, nur ihr wirres Haar verleiht ihr Lebendigkeit. Eine perfekte Ergänzung sind einzelne Druckstöcke zur passenden Komposition – davon hätte man im Kornhaus gern noch mehr gesehen.
Uwe Degreif vom Museum Biberach hat die Ausstellung kuratiert und präsentiert in Waldsee neben den Holzschnitten bewusst noch einige frühe Malereien. Sie zeigen eine märchenhafte Welt, die der von Marc Chagall verwandt ist. Parallel dazu experimentiert Ebell bereits in den 1930er-Jahren mit abstrahierten Interieurs, deren zarte Farben sich später in den Aquarellen wiederfinden. Gerade im Vergleich von Gemälden und Holzschnitten wird deutlich, wie sich der Künstler mit der Zeit von Vorbildern befreit und eigene Wege geht.
Ein weiteres Wegzeichen besonderer Art sind Ebells Aquarelle in zarten, erdigen Tönen, die in Schloss Mochental den Schwerpunkt bilden. Diese Arbeiten setzen sich meistens aus geometrischen Grundformen zusammen, die dann um Eichenblätter, um Kelche, um Gläser, Kuppeln, Türme und Figuren angereichert sind. Allerdings zeigt er stets nur deren Silhouette, so dass man meinen könnte, es handele sich um farbige Schattenbilder. Farben und Formen grenzt Ebell durch das Weiß des Papiers oder einen schwarzen Tuschestrich ab. Meist stoßen hellere an dunklere Partien. Seine Motive findet der Künstler in seinem Umfeld, der oberschwäbischen Landschaft und dem Brauchtum. So knüpfen etwa seine fantasievollen Schreckensgestalten an die Larven der schwäbisch-alemannischen Fasnet an.
Herausragender Aquarellist
Galerist Ewald Schrade war zu Lebzeiten Ebells eng mit ihm verbunden und hat neben Aquarellen auch immer wieder Gemälde angekauft. Einige davon werden jetzt in Mochental präsentiert. An die Qualität der Aquarelle auf Büttenpapier kommen sie aber nicht heran. Im Gegenteil – Ebells Malereien wirken im Vergleich dazu ungelenk und naiv. Die Materialien, die der Künstler perfekt beherrschte, waren eindeutig der Holzschnitt sowie Pinsel und Wasserfarben. Hier fand der Künstler eigene, starke Ausdrucksformen zwischen Figuration und Abstraktion.
Die Schau „Das tänzerische Schwarz“im Kornhaus Bad Waldsee dauert bis 28. Oktober. Öffnungszeiten: Fr.-So. 13.30-17.30 Uhr sowie auf Wunsch unter Tel. 07524/941342. Die EbellAusstellung in Schloss Mochental dauert bis 4. November. Öffnungszeiten: Di.-Sa. 13-17 Uhr, So. und Fei. 11-17 Uhr.