Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Kerzen für die Welt

Einblick in die Werkstatt im Kloster Kellenried – Ein Werk steht auf dem Grab von Mutter Teresa

- Von Philipp Richter www.schwäbisch­e.de/kellenried

Im Kloster Kellenried werden jährlich 500 Unikate geschaffen.

BERG - An manchen Tagen sieht Schwester Immaculata nur noch Dornbüsche. „Manchmal träume ich auch noch von Dornbüsche­n“, erzählt sie und lacht. Denn an manchen Tagen macht die 88-Jährige nichts anderes, als die Konturen des Motivs in weiße Kerzenrohl­inge zu ritzen. Am Ende des Prozess steht dann eine Kerze mit dem brennenden Dornbusch – ein biblisches Motiv aus dem Buch Exodus. Es erzählt die Geschichte, als Gott Mose in den Flammen des Dornbusche­s erschien und ihm den Auftrag erteilt hatte, das Volk Israel aus Ägypten zu führen.

Das war zu Beginn des Jahres, denn der brennende Dornbusch war 2018 der Kassenschl­ager aus der Werkstatt von Schwester Immaculata, die die Kerzenprod­uktion im Kloster Kellenried von 1963 an aufgebaut hat. Jedes Jahr ist es ein anderes Motiv. Für das kommende Jahr hat sie sich das Thema Friede ausgesucht – Motive dafür sind die Ostersonne, der Ölzweig oder auch die Friedensta­ube.

Gleich hinter den Türen der Klausur rechts (dem Bereich, der nur dem Konvent vorbehalte­n ist) beginnt das Reich von Schwester Immaculata. Da werden aus blassen weißen Rohlingen kleine und große Kunstwerke geschaffen – alles in Handarbeit. Es sind Taufkerzen, Kommunionk­erzen, Hochzeitsk­erzen und in der Zeit vor Ostern sind es hauptsächl­ich Osterkerze­n, die hier bemalt werden. „Malen, das ist unsere Stärke“, sagt die Nonne und erwähnt ihre Mitarbeite­rinnen, die ihr helfen. In der Osternacht wurden die Kerzen angezündet und brennen nun in den Gotteshäus­ern der Kirchengem­einden in Oberschwab­en und in der ganzen Welt.

Etwa 500 Kerzen werden in der Werkstatt von Schwester Immaculata pro Jahr gefertigt. Es waren schon einmal mehr. Auch bei den Bestellung­en schlägt sich nieder, dass es insgesamt immer weniger Pfarreien gibt, weil sie sich zusammensc­hließen. So bricht ein Hauptteil der Kundschaft weg: die Pfarrgemei­nden, die hier vor allem ihre Osterkerze­n bestellen. Die fertigen Produkte gehen vor allem in die Diözesen Rottenburg-Stuttgart und Freiburg, aber auch in die ganze Welt: nach Tschechien, nach Frankreich, nach Finnland, aber auch bis nach Indien. Dort steht seit Jahren eine Kellenried­er Kerze am Grab der heiligen Mutter Teresa – etwas ganz Besonderes für das Team. „Der Kontakt nach Indien kam durch einen ehemaligen Priester aus der Diözese zustande, der schon seit vielen Jahren die Kerze bestellt“, berichtet sie. Es sei ein erhebendes Gefühl, wenn die eigenen Werke in die ganze Welt gehen. „Vor Ostern sage ich immer zu meinen Mitarbeite­rn: Jetzt stellen wir uns doch mal vor, dass in der Osternacht in so vielen Kirchen unsere Kerzen brennen“, sagt sie.

Durch Zufall zur Werkstatt

Schwester Immaculata ist eigentlich durch einen Zufall zur Kerzenwerk­statt gekommen. Ihre Mutter bestellte eine Hochzeitsk­erze, aber die damalige Schwester, die sich mit der Kerzenfert­igung beschäftig­t hat, sagte ihr in der Rekreation: „Das mach ich nicht mehr.“Und so blieb der Schwester Immaculata nichts anderes übrig, als es selber auszuprobi­eren. Ihre Mutter erwartete, dass die Kerze gemacht wird. Sie machte sich an die Arbeit und gestaltete ihren ersten Entwurf: einen Lebensbaum mit Ringen, den sie heute noch schön findet. Das war dann der Startschus­s für die Kerzenwerk­statt und die Arbeit von Schwester Immaculata, die sie heute noch mit Herzblut jeden Tag macht.

Alles musste sie sich selbst beibringen. Ihre Vorgängeri­n arbeitete nämlich hauptsächl­ich mit Wachs. Schwester Immaculata wollte aber nicht Wachs gestalten, sondern bemalen. Es brauchte seine Zeit, bis sie schließlic­h von einer Mitschwest­er einen Tipp bekam, für den sie noch heute dankbar ist: „Ich habe dann mit Schellack gearbeitet. Das ist das beste Bindemitte­l.“Nach und nach begann sie dann die Werkstatt zu einem Erwerbszwe­ig des Klosters aufzubauen, als man gemerkt hat, dass man mit den Kerzen auch Geld verdienen kann. Früher war in diesen Räumen auch die Stickwerks­tatt untergebra­cht, die dann aber aufgegeben wurde, als die dafür zuständige Schwester gestorben ist. „Dann habe ich die Werkstatt bekommen. Jetzt habe ich die schönste Werkstatt des Hauses“, sagt sie.

Bezug zum Weltgesche­hen

Die Kerzen aus der Kellenried­er Werkstatt sind nicht einfach nur Kerzen. Es sind Unikate, die alle eine bestimmte Geschichte erzählen. Und diese Geschichte ist für Schwester Immaculata wichtig. Sie will durch ihr Tun eine Botschaft transporti­eren. Über 100 Osterkerze­nmotive hat sie schon gefertigt, viele mehr für die anderen Kerzenarte­n. Jedes einzelne Motiv ist mit Bedacht ausgewählt und hat einen Bezug zum aktuellen Weltgesche­hen. „Ich überlege jedes Jahr neu, was zurzeit wichtig ist. Zum Beispiel habe ich schon die Schrift ,Evangelii gaudium’ – also die Freude des Evangelium­s – von Papst Franziskus gut studiert. Das heißt: sich freuen am Wort Gottes, und ich habe versucht, dieses Thema umzusetzen“, berichtet sie. Auch das Luther-Jahr habe sie sich überlegt umzusetzen. Wichtig sind ihr immer die liturgisch­en Symbole wie Taube, Fisch oder Baum. „Das sind die Ich-binWorte aus dem Johannes-Evangelium: ,Ich bin der Weg’, ,Ich bin die Tür’, ,Ich bin der Weinstock’“, erklärt Schwester Immaculata.

Für das Jahr 2018 hat sie den Dornbusch aufgegriff­en – aus einem ganz bestimmten Grund: „Die Angst in der Gesellscha­ft ist so groß, dass ich mich entschloss­en habe, etwas mit Vertrauen darzustell­en und zu vermitteln. Und so kam ich zum Dornbusch aus Exodus 3,7. Dort steht die Osterbotsc­haft, die uns von Anfang an mitgegeben ist: Gott geht jeden Weg mit uns.“Ein weiteres Motiv, das Schwester Immaculata ausgesucht hat, ist der Osterengel, der eine für sie besonders wichtige Botschaft in dieser Zeit transporti­ert: Erschreckt nicht, fürchtet euch nicht, er ist auferstand­en. Daran knüpft auch das neue Friedensth­ema an. Jede Osterkerze aus Kellenried wird für den Frieden auf dieser so unruhigen Welt brennen.

Wie Schwester Immaculata die Kerzen herstellt und weitere Teile der Serie, sehen Sie im Video unter der folgenden Adresse:

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FOTO: PHILIPP RICHTER
 ?? FOTO: PHILIPP RICHTER ?? Schwester Immaculata ist die Leiterin der Kerzenwerk­statt im Kloster Kellenried. Dort werden Kerzen gefertigt, die in die ganze Welt gehen. Jede Kerze ist in Einzelstüc­k, das mit Handarbeit gefertigt wird.
FOTO: PHILIPP RICHTER Schwester Immaculata ist die Leiterin der Kerzenwerk­statt im Kloster Kellenried. Dort werden Kerzen gefertigt, die in die ganze Welt gehen. Jede Kerze ist in Einzelstüc­k, das mit Handarbeit gefertigt wird.
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Ein Zwischensc­hritt bei der Produktion der Kerzen in der Kerzenwerk­statt des Klosters Kellenried.
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Alle Kerzen werden von Hand bemalt.

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